Kampf gegen die Pandemie: Debatte um Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen

25.11.2021 - Themenbereiche: Gesellschaft, Nordrhein-Westfalen, Politik
Eine Hand hält eine Spritze für eine COVID-19-Impfung. Im Hintergrund schweben zur Illustration animierte Sars-CoV-2-Viren.

Kurzfassung

Für Impf-Unwillige wird die Luft zusehends dünner: Geht es nach den jüngsten Bund-Länder-Beratungen, wird eine Impfpflicht für Beschäftigte in Medizin und Pflege schon bald Realität. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärte  am vergangenen Freitag: Um einen weiteren Lockdown zu vermeiden, sei es wichtig, „dass wir die Impfpflicht bekommen für all diejenigen Menschen, die mit vulnerablen Gruppen, die mit besonders anfälligen, verletzlichen Menschen umgehen“.

Abseits des politischen Parketts stoßen die Bund-Länder-Pläne auf ein gespaltenes Echo

In Gewerkschaftskreisen können Bund und Länder mit ihren Absichten hingegen keinen Stich landen: „Die Entscheidung, sich impfen zu lassen, ist freiwillig und muss es bleiben. Es darf keine Diskriminierung aufgrund des Impfstatus geben – weder gesellschaftlich noch im Arbeitsverhältnis“, mahnt etwa der VER.DI Landesbezirk NRW und wittert einen Tabubruch auf Kosten der Beschäftigten. Zudem warnen Kritiker:innen, dass die eh schon chronisch unterbesetzte Pflegebranche durch eine Impfpflicht einer zusätzlichen Zerreißprobe ausgesetzt wird – und Kliniken die Arbeitskräfte ausgehen.

Der Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen kann dieser Argumentation dagegen nichts abgewinnen. „Eine allgemeine Impfpflicht lehnen wir zwar ab, bewerten den Gesundheitsschutz unserer besonders gefährdeten Mitbürger*innen jedoch eindeutig höher als die Freiheit der in diesem Bereich beschäftigten Personen“, konstatiert der Vorsitzende Horst Vöge in einer Pressemitteilung.

Ist eine Impfpflicht für den medizinischen Sektor also wirklich der Tabubruch, der neue Probleme forciert, anstelle alte zu lösen? Oder ist der Schritt unausweichlich, um besonders verletzliche Menschen bestmöglich zu schützen?

Acht Perspektiven

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„Video: Verschiebung von Operationen im Klinikum Dortmund rückt näher“

Ruhr Nachrichten, 20.11.2021 - Ulrich Breulmann, Bernhard Schaaf

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Der Dortmunder Klinikdirektor Bernhard Schaaf hält eine Impfpflicht für medizinisches Personal für unausweichlich. Gerade Beschäftigte im Gesundheitswesen tragen für die ihnen anvertrauten Patient:innen eine große Verantwortung, macht der Mediziner im Gespräch mit Redakteur Ulrich Breulmann von der Regionalzeitung RUHR NACHRICHTEN deutlich.

Es liege inzwischen auf der Hand, dass ungeimpftes Personal das Virus in Krankenhäusern und Pflegeheimen häufiger an Patient:innen übertrage als geimpfte Beschäftigte. „Das kann man natürlich verhindern, indem man sich impfen lässt“, mahnt Schaaf. Dennoch sei die Impfquote im Gesundheitswesen trotz monatelanger Appelle noch immer nicht ausreichend. Das lasse nur einen Schluss zu: „Wir brauchen härtere Maßnahmen“, resümiert der Klinikchef.

In Krankenhäusern und Pflegeheimen müsse es jetzt angesichts der steigenden Fallzahlen das oberste Gebot sein, sich selbst zu schützen, „damit man sein Klientel nicht gefährdet“. Wenn Menschen aus dem Gesundheitswesen noch immer nicht bereit seien, diesen Beitrag zu leisten, führe an einer Impfplicht kein Weg mehr vorbei. „Irgendwann ist dann auch (…) die Diskussionsbereitschaft erloschen“, meint Schaaf.   

Anmerkungen der Redaktion

Bernhard Schaaf ist Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde in Dortmund. Er leitet seit 2008 die Klinik für Pneumologie, Infektiologie und internistische Intensivmedizin am Klinikum Dortmund. Schaafs Team besteht aus sieben Oberärzten und sechs weiteren Fachärzten. Der Schwerpunkt der Klinik liegt auf der Behandlung von Lungenkrebs und der Infektiologie inklusive Tuberkulose und HIV-Ambulanz.

Ulrich Breulmann ist ein deutscher Journalist und schreibt für verschiedene Angebote der Lensing Media, die unter anderem die RUHR NACHRICHTEN verlegt. Breulmann hat Theologie studiert und ein Volontariat bei den RUHR NACHRICHTEN absolviert. Danach arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre lang für die Stadtredaktion Dortmund der Zeitung. Später ist er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten im Ruhrgebiet unterwegs gewesen. Mittlerweile ist Breulmann als Investigativreporter im Einsatz.

RUHR NACHRICHTEN ist der Titel einer regionalen Tageszeitung in Dortmund, die von der Lensing Media herausgegeben wird. Die Lensing Media ist einer der größten Zeitungsverlage in Nordrhein-Westfalen und gibt unter anderem auch die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN heraus. Lensing Media kooperiert auch mit der Funke-Mediengruppe, einem anderen großen Verlag in Nordrhein-Westfalen. Die Auflage der RUHR NACHRICHTEN wird der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern nicht mehr gemeldet. Der Online-Auftritt der Zeitung hatte im Oktober 2021 laut Similarweb rund 3,14 Millionen Aufrufe zu verzeichnen. Einen Großteil der Besucher:innen akquirieren die RUHR NACHRICHTEN über Sportberichterstattung: Zu diesem Zweck kooperieren die RUHR NACHRICHTEN auch mit dem Fußballverein Borussia Dortmund.

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„Corona: Wie sich das Dilemma mit der Impfpflicht lösen lässt“

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), 04.11.2021 - Diana Zinkler

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wäre verkraftbar, kommentiert Diana Zinkler in der WESTDEUTSCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG (WAZ). Dem Verweis auf den Fachkräftemangel, der zur Abwehr einer verpflichtenden Impfung gerne als „Ass im Ärmel“ gezückt werde, kann die Redakteurin nichts abgewinnen: Immerhin habe Frankreich längst vorgemacht, dass es geht.

Aus Zinklers Sicht lässt sich am Beispiel der Franzosen ablesen, dass eine Impfpflicht für medizinisches Personal trotz des auch dort herrschenden Fachkräftemangels „zahlenmäßig zu verkraften wäre“. Denn in Frankreich gleiche der durch die Impfpflicht geforderte Personalverlust einem Tropfen auf dem heißen Stein: So seien am Tag nach dem Stichtag landesweit nur 3000 ungeimpfte Pflegekräfte vom Dienst freigestellt worden – „von insgesamt 2,7 Millionen Franzosen und Französinnen, für die die Impfpflicht gilt“.  

Dass in Deutschland immer noch viele Pflegende ungeimpft sind, bezeichnet Zinkler als „Paradox“: „Gerade die Menschen, die sich aufopfernd um Alte und Kranke kümmern, schrecken teilweise vor einer Impfung gegen das Coronavirus zurück“, moniert sie. Zwar gebe es kaum eine Arbeit, die mutiger, wertvoller und anstrengender sei. „Trotzdem ist die Impfpflicht in der Pflege überfällig – und ändert nichts an der großen Wertschätzung, die dem Pflegepersonal gebührt.“

Anmerkungen der Redaktion

Diana Zinkler ist Journalistin und seit 2015 Textchefin bei der FUNKE MEDIENGRUPPE, zu der Medien wie das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND oder die WAZ gehören. Die studierte Germanistin hat beim Axel-Springer-Verlag volontiert und anschließend für die Springer-Medien WELT und BILD geschrieben. Sie hat außerdem für die DEUTSCHE PRESSE-AGENTUR gearbeitet.

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG (WAZ) ist die größte deutsche Regionalzeitung. Erstmals ist sie 1948 erschienen. Ihr Hauptsitz ist in Essen, sie erscheint jedoch im gesamten Ruhrgebiet. Im Laufe der Jahre wurden mehrere andere Zeitungen aufgekauft und die „Zeitungsgruppe WAZ“ entstand, die 1997 in WAZ-Mediengruppe umbenannt wurde. Heute wird die WAZ von der Funke-Mediengruppe herausgegeben. Überregionale Themen werden von der Zentralredaktion in Berlin bearbeitet. Wie zahlreiche andere Zeitungen hat auch die WAZ-Mediengruppe stark mit sinkenden Auflagezahlen zu kämpfen. Im dritten Quartal 2021 lag diese bei knapp 412.000 verkauften Exemplaren, zu Beginn des Jahrtausends waren es noch knapp dreimal so viele. Dennoch ist die WAZ nach wie vor die größte regionale Tageszeitung in Deutschland.

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„Der Preis der Verweigerung“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 15.11.2021 - Reinhard Müller

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Der Redakteur Reinhard Müller hält die berufsbezogene Impfpflicht für ein effektives Mittel, um den Schaden der Pandemie zu begrenzen: „Gerade wer die Freiheit liebt und unverhältnismäßige Lockdown-Maßnahmen für alle vermeiden will, kommt wohl um eine Pflicht für bestimmte Berufsgruppen nicht herum“, schreibt er in seinem Kommentar für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ).

Dass eine einzelne Branche ihre Freiheit einschränken muss, um damit flächendeckendere Konsequenzen abzuwenden, hält Müller in „zugespitzter Lage“ für angemessen. Zumal das zu erbringende Opfer überschaubar sei: „Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der mit der milliardenfach erprobten Impfung einhergeht, ist verhältnismäßig“, konstatiert er. Ohnehin sei es „unerträglich, dass Pfleger, Mediziner, gar Staatsdiener bewusst zur Verbreitung der Pandemie unter verletzlichen Menschen beitragen“.

Dennoch sei an der „quergedachten Schauergeschichte“, „dass Unwillige von der Polizei abgeholt werden und mit physischer Gewalt eine Spritze verabreicht bekommen“, nichts dran. Es gehe doch lediglich darum, bestimmte Tätigkeiten an Voraussetzungen zu knüpfen. Der großen Aufregung darüber kann Müller nichts abgewinnen: Immerhin seien Arbeitsschutz und Hygienevorschriften in vielen Berufen zwingend.

Anmerkungen der Redaktion

Reinhard Müller ist ein deutscher Jurist und Journalist. Seit 1998 ist er Teil der Redaktion der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG (FAZ) und dort verantwortlich für rechtspolitische Themen und Innenpolitik. Seit Juli 2012 ist Müller zudem verantwortlicher Redakteur für die Rubrik „Zeitgeschehen“. In verschiedenen FAZ-Artikeln wendet sich Müller gegen die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare und ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Außerdem hält er die Einräumung der doppelten Staatsangehörigkeit für eine „Politik, der jedes Gefühl für Staat und Nation, für Sinn und Form völlig abgeht“.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) ist eine deutsche überregionale Tageszeitung. Sie ist 1949 gegründet worden und wird zu den deutschen Leitmedien gezählt. Dies sind Medien, die einen besonderen Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien ausüben. Laut Eigenangabe steht sie „für den Erhalt und die Stärkung der demokratischen Ordnung und der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland“. Die FAZ gilt als liberal-konservatives Blatt. THE EUROPEAN schreibt über die „drei Gesichter“ der FAZ: Sie habe einen eher konservativen, staatstragenden Politikteil, ein linksliberales Feuilleton und einen liberalen Wirtschaftsteil. Die verkaufte Auflage der Zeitung lag zusammen mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG im dritten Quartal 2021 bei etwa 399.000 Exemplaren. Laut der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) hatte der Webauftritt der FAZ, FAZ.NET, im August 2021 rund 16 Millionen Besucher:innen zu verzeichnen.

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„Corona: "Freifahrschein für Geimpfte unglücklich"“

WDR, 17.11.2021 - Steffen Augsberg, Uwe Schulz

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Der Medizinethiker Steffen Augsberg warnt davor, die berufsbezogene Impfpflicht im Kampf gegen die Pandemie als Allheilmittel zu beschwören. Die „dramatische Entwicklung“ erfordere längst mehr, als auf die Immunisierung von Ungeimpften zu setzen: „Ein Brechen der vierten Welle wird damit allein nicht gelingen“, betont er im WDR-Interview mit Moderator Uwe Schulz.

Zwar könne eine Impfpflicht für medizinische Berufe sinnvoll sein. Allerdings leiste diese nur einen kleinen Beitrag – denn sie koste Zeit und reiche nicht weit genug, um Infektionszahlen außerhalb von gesundheitlichen Einrichtungen zu verhindern. Damit sei die berufsbezogene Impfpflicht keinesfalls das Mittel, „das uns jetzt aus der Krise herausführen wird“. Vielmehr betrachtet Augsberg die Pandemiebewältigung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht ohne Instrumente wie Kontaktverfolgung und Kontaktbeschränkungen gelingen könne.

So wichtig eine hohe Impfquote auch sei: Das „verhängnisvolle Narrativ“ der „Pandemie der Ungeimpften“ hält Augsberg für fatal – denn dadurch werde „den Geimpften nahezu ein Freifahrtschein ausgestellt“, kritisiert er. Anstelle die Verantwortung auf bestimmte Berufsgruppen abzuwälzen, hält der Medizinethiker es für entscheidend, dass alle Bürgerinnen und Bürger mit anpacken – und sich im Alltag wieder mehr einschränken.  

Anmerkungen der Redaktion

Steffen Augsberg ist Jurist und Professor für Öffentliches Recht an der Universität in Gießen. Zuvor hatte er unter anderem einen Lehrstuhl an der Universität in Heidelberg inne und ist Professor im Saarland gewesen. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Recht im Gesundheitswesen. Seit 2016 ist Augsberg außerdem Mitglied des Deutschen Ethikrates, einem unabhängigen Sachverständigenrat, der ethische, gesellschaftliche, naturwissenschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen sowie ihre möglichen Folgen für die Gesellschaft verfolgt.

Uwe Schulz ist Moderator beim WDR. Er hat Journalistik in Dortmund studiert und arbeitet seit 1993 beim WDR. Seit 2017 ist er außerdem Moderationstrainer beim Saarländischen Rundfunk. Er hat den Kurt-Magnus-Preis der ARD gewonnen, der für außergewöhnlich gute Nachwuchsleistungen im Hörfunk-Journalismus vergeben wird.

Der WDR ist die größte der neun Landesrundfunkanstalten der ARD. Er entstand 1956, als sich der NWDR in den NDR und den WDR aufteilte. Die Sendeanstalt hat sechs Radioprogramme und einen Fernsehsender, zu dessen bekanntesten Programmen unter anderem das Politmagazin „Monitor“, die „Sportschau“ oder das Kinderangebot „Die Sendung mit der Maus“ gehören. Laut eigenen Angaben ist der Sender nach Anzahl der Beschäftigten das zweitgrößte Medienunternehmen Europas hinter der BBC. Laut der "Media-Analyse 2021" erreicht der Fernsehsender des WDR in Deutschland täglich rund 8 Millionen Zuschauer:innen, der Radiosender erreicht rund 11 Millionen Zuhörer:innen. Der Webauftritt des WDR hatte im Oktober 2021 laut Similarweb rund 15 Millionen Besuche zu verzeichnen.

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„Wie sinnvoll ist ein Impfzwang für Pflegepersonal?“

MDR, 04.11.2021 - Christel Bienstein, Brigitte Scholtes

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Die Pflegebranche wird eine Impfpflicht nicht verkraften können, macht Christel Bienstein im MDR-Interview mit der Radiojournalistin Brigitte Scholtes deutlich. Ein Zwang, sich impfen zu lassen, werde noch mehr Pflegende aus dem Beruf vertreiben, warnt die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), die zuvor das Institut für Pflegewissenschaft in Witten/Herdecke leitete.

Eine DBfK-Umfrage unter Pflegenden habe innerhalb der Pandemie gezeigt, dass etwa 30 Prozent von ihnen planen, aus dem Beruf auszuscheiden, weil die Belastungen viel zu hoch seien. Dabei leide die Branche bereits stark darunter, dass es zu wenig Fachpersonal gebe. „Wenn uns jetzt noch Kollegen verloren gehen, (…) dann haben wir gar keine Versorgung mehr“, appelliert Bienstein.

Für wirksamer hält die Pflegewissenschaftlerin es, sich ungeimpften Beschäftigten auf andere Weise anzunähern. Neben schnell zugänglichen Impfangeboten müsse sich das Management den Menschen zuwenden, um herauszufinden, aus welchen Gründen sie sich nicht haben impfen lassen. „Und wir brauchen natürlich auch viel Aufklärung, damit der Angst, falls Ängste vorhanden sind, begegnet wird.“

Anmerkungen der Redaktion

Christel Bienstein ist Pflegewissenschaftlerin und Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe. Von 1994 bis 2017 hat Bienstein das Institut für Pflegewissenschaft an der privaten Universität Witten/Herdecke in Nordrhein-Westfalen geleitet. Bienstein hat eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und nach einigen Jahren Berufserfahrung Pädagogik studiert. 1994 ist sie zur Honorarprofessorin an der Universität Witten/Herdecke ernannt worden, 2003 zusätzlich zur Honorarprofessorin an der Universität Bremen. Die Professorinnen-Ämter hat Bienstein mittlerweile niedergelegt. Seit 2012 ist sie Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, einer Interessenvertretung aller Berufstätigen in Pflegeberufen. 2004 hat Bienstein das Bundesverdienstkreuz für ihre Verdienste in der Pflege erhalten.

Brigitte Scholtes ist Radiojournalistin, Wirtschaftsredakteurin und Korrespondentin des DEUTSCHLANDFUNK. Sie hat bereits für die FAZ und BLOOMBERG NEWS gearbeitet. Scholtes war Präsidentin des Frankfurter Internationalen Businessjournalisten Clubs. Sie hat Englisch und Wirtschaftsgeschichte studiert.

Der MITTELDEUTSCHE RUNDFUNK (MDR) ist die Landesrundfunkanstalt für das Land Sachsen-Anhalt sowie für die Freistaaten Sachsen und Thüringen. 1991 wurde der MDR gegründet und startete 1993 auch im Fernsehen. Der MDR ist Teil der öffentlich-rechtlichen Sender und Mitglied der ARD. Er wird hauptsächlich über die Rundfunkgebühren finanziert. Durch den Rundfunkstaatsvertrag ist die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit festgeschrieben. Zu den Radiosendern gehören MDR Sachsen, MDR Sachsen-Anhalt, MDR Thüringen, MDR Jump, Sputnik, MDR Tweens, MDR Kultur, MDR Aktuell und MDR Klassik. Seine Auslandskorrespondent:innen hat der MDR in Brüssel, Washington, Paris, Zürich, Prag, Neu-Delhi und Shanghai. Intendantin ist seit 2011 die Juristin Karola Wille. Der MDR betreibt außerdem das Portal MDR360G, das einen umfassenden Blick über die Medienwelt ermöglichen soll: indem Analysen, Texte und Videos zum Thema Medien und Funktionsweise der Medien auf MDR360G veröffentlicht werden.
 

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„Braucht es eine Impfpflicht für bestimmte Berufe?“

Deutschlandfunk Kultur, 16.11.2021 - Sina Fröhndrich

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Die Redaktionsleiterin Sina Fröhndrich sieht in der Impfpflicht für medizinisches Personal einen faulen Kompromiss. „Auch mit einer Pflicht für diese Gruppe blieben viele andere Menschen in Deutschland weiterhin ungeimpft“, moniert sie in ihrem Kommentar für den Hörfunksender DEUTSCHLANDFUNK KULTUR.

Um vulnerable Gruppen wirklich zu schützen, greife die berufsbezogene Impfpflicht zu kurz. Immerhin werde die Mehrzahl der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt. „Wer kontrolliert in diesem Bereich, ob der Sohn, der seine alte Mutter pflegt, geimpft ist?“, wettert Fröhndrich. Für ähnlich unlogisch hält sie die Rufe nach einer Impfpflicht für Lehrkräfte: „Für die Lehrerin würde eine Impfpflicht gelten, ungeimpfte Eltern aber dürften weiterhin ohne Antikörper unterwegs sein“, spottet die Autorin. Es liege auf der Hand: „Eine Impfpflicht für ausgewählte Berufsgruppen hält das Virus nicht auf (…).“

Wenn schon Impfpflicht, dann muss diese nach Fröhndrichs Dafürhalten auch für alle gelten – und nicht nur für Pflege, Kitas oder Schulen. Alles andere sei mit Blick auf den Schutz vulnerabler Gruppen inkonsequent. „Impfen ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, plädiert sie.   

Anmerkungen der Redaktion

Sina Fröhndrich ist eine deutsche Journalistin und Moderatorin beim DEUTSCHLANDFUNK. Beim DEUTSCHLANDFUNK leitet sie die Redaktion „Meinung und Diskurs“, die für den DEUTSCHLANDFUNK und DEUTSCHLANDFUNK-KULTUR aktuelle Debattensendungen produziert. In Kommentaren und Streitgesprächen soll durch die seit 2021 bestehende Redaktion die Meinungsvielfalt beim DEUTSCHLANDFUNK erhöht werden. An der Universität Leipzig hat Fröhndrich Klassik und Altertum studiert und noch während des Studiums freiberuflich als Nachrichtensprecherin für den MDR gearbeitet. Sie ist außerdem Co-Produzentin und Moderatorin des Podcasts „Pop the Bubble“, der durch das Aufeinanderprallen von Meinungen Filterblasen zum Platzen bringen soll.

DEUTSCHLANDFUNK KULTUR ist neben dem DEUTSCHLANDFUNK und DEUTSCHLANDFUNK NOVA eines der drei Programme des öffentlich-rechtlichen DEUTSCHLANDRADIOS. Im Gegensatz zu den beiden anderen Programmen liegt der Redaktionssitz von DEUTSCHLANDFUNK KULTUR in Berlin. Der Sender beschreibt sich selbst als „das Feuilleton im Radio“. Er hat es sich selbst zur Aufgabe gemacht, „die Kulturalisierung der Politik und die Politisierung der Kultur“ voranzutreiben. Laut der Mediaanalyse "ma Audio 2021" schalten täglich rund 600.000 Menschen den Kultursender des DEUTSCHLANDRADIOS ein.
 

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„In diesen Ländern gibt es eine Impfpflicht“

Rheinische Post, 23.11.2021 - Redaktion

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Über eine Impfpflicht zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wird in vielen Ländern diskutiert. Einige Staaten haben die verpflichtende Impfung aber schon eingeführt. Wo die Impfpflicht bereits gilt und welche Unterschiede es dabei gibt, hat die Redaktion der RHEINISCHEN POST (RP) in einem Überblick zusammengefasst.

Österreich habe angekündigt, im Februar 2022 eine allgemeine Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 einzuführen. Ab 18 Jahren gebe es eine solche bereits im zentralasiatischen Tadschikistan. „Das weitgehend isolierte Turkmenistan zählt zu den wenigen Ländern weltweit, die offiziell noch keinen einzigen Corona-Fall gemeldet haben“, stellt die Redaktion fest. Auch im kleinsten Land der Welt, dem Vatikan, gelte bereits eine Impfpflicht. „Dies führte schon zur freiwilligen Dienstquittierung und sogar Entlassung einiger Schweizergardisten“, heißt es in dem RP-Beitrag.

In einigen weiteren Ländern gelte die Impfpflicht bislang nur für bestimmte Bevölkerungs- oder Berufsgruppen. In den USA betreffe diese etwa Mitarbeitende von Bundesbehörden und staatlichen Pflegeheimen sowie auch Mitglieder der US-Streitkräfte. Ebenso ergehe es 300.000 Bundesbeamt:innen in Kanada. Und auch in Mittelamerika habe die Teil-Impfpflicht schon Einzug gehalten: „Costa Rica hat eine Impfung gegen das Coronavirus in die Liste der Pflichtimpfungen für alle Minderjährigen aufgenommen“, so die Redaktion.

Unterschiedlich ausgestaltete Impfpflichten für das Gesundheitswesen gelten zufolge der Recherche der RP in Frankreich, Belgien, Griechenland, Italien, Lettland, Großbritannien und Ungarn. In Russland seien Handel, Verkehrswesen sowie Dienstleistungs- und Gaststättengewerbe zu einer Impfung verpflichtet – dazu alle, deren Arbeit Kontakt zu Menschen erfordere. Auch im öffentlichen Dienst in Slowenien, in Berufen mit Kontakten zu anderen Menschen in Kasachstan, für Staatsbedienstete in Pakistan, öffentlich Beschäftigte in Simbabwe und die Tourismusbranche in Gambia gelte eine Impfpflicht. „Im zentralafrikanischen Äquatorialguinea müssen sich Soldaten, Beschäftigte im Gesundheitsbereich und Lehrer impfen lassen“, schließt die Redaktion.

Anmerkungen der Redaktion

Die RHEINISCHE POST ist eine regionale Tageszeitung, die zur „Rheinische Post Mediengruppe“ gehört. Der Schwerpunkt der Berichterstattung liegt auf Nordrhein-Westfalen. Die Zeitung wurde 1946 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Düsseldorf. Chefredakteur ist Moritz Döbler. Laut einem Ranking der Agentur pressrelations im Jahr 2018 gehört die RHEINISCHE POST zu den meistzitierten Regionalzeitungen Deutschlands. Die verkaufte Auflage lag im dritten Quartal 2021 bei rund 253.000 Exemplaren. Das entspricht einem Minus von 36,9 Prozent seit 1998.

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„Warum ist die Impfquote in deutschsprachigen Ländern niedriger als in Westeuropa?“

Der Standard, 12.11.2021 - Oliver Nachtwey, Matthias Balmetzhofer

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Mit einer Impfquote von unter 70 Prozent können die deutschsprachigen Länder Österreich, Deutschland und die Schweiz nicht mit westeuropäischen Staaten wie Spanien oder Portugal mithalten. Woran das liegt, erklärt der Schweizer Soziologe Oliver Nachtwey im Interview mit Redakteur Matthias Balmetzhofer für die österreichische Tageszeitung DER STANDARD.

In seinen Forschungen zu den COVID-19-Protesten in Deutschland, Österreich und der Schweiz konnte Nachtwey strukturelle und kulturelle Gemeinsamkeiten der deutschsprachigen Länder ausmachen. Zum einen handele es sich um industrialisierte Staaten mit einem starken Föderalismus und einem schwachen Zentralstaat. Zum anderen gebe es die Parallele, dass sich in allen drei Ländern als Folge der 1968er-Bewegung Alternativmilieus gebildet haben. „Man wollte sich vom konformistischen Massenarbeiter der 50er- und 60er-Jahre abheben“, erklärt Nachtwey.

Laut des Soziologen strebten diese Milieus nach einer anderen Form der Lebensführung, nach Authentizität und Selbstverwirklichung. „Es ging um Esoterik und Spiritualismus. Man hat seine Kinder auf Waldorfschulen geschickt, wo nicht dem staatlichen Bildungswesen gehorcht wird. Alternative Medizin war im Trend“, beschreibt er. Diese Milieus seien inzwischen zu weitreichenden anthroposophischen Netzwerken herangewachsen. In diesen komme der eigenen Körpersouveränität eine wichtige Rolle zu. „Und das Impfen wird nun als autoritärer Eingriff des Staates wahrgenommen“, so Nachtweys Analyse.

Das sei keinesfalls eine Frage der Bildung. „Da haben viele einen Universitätsabschluss“, unterstreicht der Soziologe. Das Problem sei vielmehr eine starke Autoritätsskepsis. „Und gleichzeitig trauen sich diese Menschen zu, aufgrund ihrer teils hohen Bildung, Wissenschaft selbst zu beurteilen“, so Nachtwey. Der wissenschaftliche Konsens werde mit einem „Gegenwissen“ ausgehebelt – etwa, indem die Bewegung versuche, den wissenschaftlichen Konsens anhand einer Einzelstudie von COVID-19-Kritiker Sucharit Bhakdi zu widerlegen. Den Wahrheitsgehalt dieser Gegenargumente bezweifelt Nachtwey: „Das sind ganz oft schlichtweg Fake-News.“

Eine weitere Gemeinsamkeit von Österreich, Deutschland und der Schweiz sei die Etablierung von starken rechtspopulistischen Parteien. Diese bedienen sich nach der Analyse des Soziologen häufig ähnlichen Instrumenten: „Solidarität wird verweigert, gleichzeitig werden Wissenschaftssysteme angegriffen“, so Nachtwey. Die Folge sei, dass die Alternativmilieus heute „ganz stark von rechts bewirtschaftet“ werden. Dieses Verhaltensmuster zeige auch die rechte Politik in den USA: „Während die Wissenschaft nach der Wahrheit sucht, streuen sie Fake-News und befördern Vorurteile“, erklärt der Soziologe.

Anmerkungen der Redaktion

Oliver Nachtwey ist Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaftler. Seit 2017 ist er Professor für Sozialstrukturanalyse an der Universität Basel. Nach seinem Studium zum Diplom-Volkswirt hat Nachtwey am Graduiertenkolleg der Georg-August-Universität Göttingen zum Thema „Die Zukunft des europäischen Sozialmodells“ geforscht. Zudem hat er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie in Jena und im Fachbereich Wirtschaft in Trier gearbeitet. Seit 2014 arbeitet Nachtwey an der Universität Basel. Zusätzlich engagiert sich Nachtwey in sozialen Bewegungen und in der Globalisierungskritik. Er verfasst regelmäßig Artikel für deutsche und internationale Zeitungen wie die NEW YORK TIMES. Für sein Buch „Die Abstiegsgesellschaft“ (2016) hat Nachtwey 2017 den Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik erhalten: Der Preis wird unter anderem von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung vergeben für Beiträge, „die grundsätzliche Probleme der Wirtschafts- und Sozialpolitik (...) zum Gegenstand haben“.

Matthias Balmetzhofer ist Redakteur bei der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD. Er hat Journalismus und Medienmanagement sowie Politikwissenschaft in Wien studiert. Nach mehreren Praktika bei PROSIEBEN und der WIENER ZEITUNG ist er zunächst als Praktikant, später als Redakteur zum ORF, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender in Österreich, gewechselt. Seit 2021 arbeitet Balmetzhofer für den STANDARD.

DER STANDARD ist eine österreichische Tageszeitung mit Sitz in Wien. Die Zeitung wurde 1988 nach dem Vorbild der New York Times gegründet und erhielt 1994 den ersten Onlineauftritt aller deutschsprachigen Zeitungen. DER STANDARD gilt im Vergleich zu anderen österreichischen Blättern als linksliberale Zeitung. Gründer Oscar Bronner sagte der TAZ: „Ich war politisch immer ein Liberaler, aber eher links der Mitte sozialisiert.“ EUROTOPICS beschreibt die Zeitung als linksliberales Qualitätsmedium, das insbesondere in der Einbindung seiner Nutzer:innen eine Vorreiterrolle einnehme. Der STANDARD hatte im Jahr 2020 eine verkaufte Auflage von knapp 55.000.