Debatte um Paritätsgesetz: Sollte künftig eine Frauenquote bei den Wahllisten der Parteien zu NRW-Landtagswahlen gelten?

09.05.2022
Mit einem roten Stift auf ein Papier gezeichnetes Kreuz wie beim Wählen

Kurzfassung

72,4 Prozent aller Sitze im NRW-Landtag werden von Männern belegt – das bestätigt der Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Nordrhein-Westfalen. Dass es 65 Jahre nach der Geburtsstunde des Gleichberechtigungsgesetzes noch immer deutlich mehr Männer als Frauen sind, die die politischen Entscheidungen prägen, sorgt immer wieder für Zündstoff. Denn im einwohnerstärksten Bundesland, in dem statistisch gesehen mindestens jeder zweite „Einwohner” eine „Einwohnerin” ist, dümpelt die Frauenquote im Landesparlament gerade mal bei 27,6 Prozent – wobei sie in den einzelnen Fraktionen zwischen 23,1 Prozent (AfD) und 42,9 Prozent (Grüne) schwankt.

Mehr Einfluss für Frauen in männergeprägten Parteien

Um Frauen in von Männern geprägten Parteien mehr Einfluss zu verschaffen, verdichten sich vielerorts die Rufe nach einem „Paritätsgesetz“: einem Wahlgesetz, das nach Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern strebt – etwa durch quotierte Wahllisten, auf denen abwechselnd Männer und Frauen kandidieren. Die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen brachten schon im Jahr 2019 einen Entwurf für ein Paritätsgesetz in den Düsseldorfer Landtag ein, der damals jedoch an den regierenden Fraktionen CDU und FDP scheiterte. Ganz vom Tisch ist ein nordrhein-westfälisches Paritätsgesetz damit aber nicht, wie der Wahl-O-Mat zur bevorstehenden Landtagswahl am 15. Mai zeigt.

Verfassungsgericht kassierte Paritätsgesetze in Thüringen und Brandenburg

Doch was derzeit auch in Berlin und Niedersachsen diskutiert wird, scheiterte in Thüringen und Brandenburg bereits im Jahr 2020 an den Landesverfassungsgerichten: Diese begründeten ihr Urteil unter anderem damit, dass Parteien ihr Personal durch eine Quotenregelung nicht mehr frei wählen könnten. Außerdem seien diese angesichts eines Paritätsgesetzes möglicherweise gezwungen, „aus ihrer Sicht weniger gut geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten“ aufzustellen. Die Paritätsgesetze seien daher nicht mit den Rechten der Wähler:innen und Parteien vereinbar gewesen, so die Argumentation. Den Frauenrat NRW beeindruckt das wenig: Das Grundgesetz verpflichte den Staat explizit zur „Beseitigung bestehender Nachteile“ von Frauen gegenüber Männern – und genau dieser Passus werde „in den ergangenen Gerichtsentscheidungen nicht in der gebotenen Weise gewürdigt,“ heißt es in einer Stellungnahme der Interessenvertretung aus dem vergangenen Frühjahr.

Wird es also Zeit für eine Frauenquote auf den Wahllisten zu künftigen NRW-Landtagswahlen?

Acht Perspektiven

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„Meinung: Mehr Frauen in den Bundestag!“

Deutsche Welle, 01.10.2021 - Melina Grundmann

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Dass Männer in der Politik immer noch die deutliche Mehrheit ausmachen, versteht die Redakteurin Melina Grundmann als Absage an die Gleichberechtigung. Um dem herrschenden Ungleichgewicht entgegenzusteuern, sei eine Frauenquote in Parlamenten längst überfällig, unterstreicht Grundmann in ihrem Kommentar für den Auslandsrundfunk DEUTSCHE WELLE.

Denn die Politik ignoriere es sträflich, dass Frauen in ihren Reihen noch immer strukturell benachteiligt seien. Vor allem „bei einer der wichtigsten Aufgaben überhaupt” – der Repräsentation der Gesellschaft – werde deutlich, dass die Debatten über „Frauenförderung” vielerorts Worthülsen seien. „Gleichberechtigung fängt da an, wo genau so viele Frauen wie Männer mitbestimmen, welche Politik gemacht wird”, findet Grundmann. Bislang gelinge es vor allem den Grünen, in ihrer Partei mit einem hohen Frauenanteil zu punkten – auch, indem sie ihre Wahllisten freiwillig paritätisch besetzen. „Die anderen Parteien sollten sich ein Beispiel daran nehmen”, plädiert die Redakteurin.

Leider stelle ein Teil der politischen Landschaft sich der Gleichstellung konsequent entgegen, kritisiert Grundmann. Die CDU etwa halte noch immer am Ehegattensplitting fest: an einem Gesetz aus den 1950er-Jahren, das oft dazu führe, dass sich das Arbeiten für Frauen steuerlich nicht lohnt. „Eine indirekte Förderung der traditionellen Rollenbilder”, kreidet Grundmann an. Es sei längst an der Zeit, dass Politik auch für Frauen gemacht werde – und zwar mit einer gesetzlich geregelten Frauenquote.

Anmerkungen der Redaktion

Melina Grundmann ist Redakteurin bei der DEUTSCHEN WELLE. Dort arbeitet sie als TV & Social-Media-Redakteurin. Zuvor hat sie bei der DEUTSCHEN WELLE ein Volontariat absolviert. Sie hat an der TU Dortmund angewandte Literatur- und Kulturwissenschaften sowie Journalistik im Bachelor und Literatur und Medienpraxis im Master studiert. Danach hat sie unter anderem als freie Autorin für den SWR und als Redaktionsassistentin beim WDR gearbeitet. 2017 begann sie ihr Volontariat bei der DEUTSCHEN WELLE.

Die DEUTSCHE WELLE ist der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland. Er wird aus Bundesmitteln finanziert und ist Mitglied der ARD. Die DEUTSCHE WELLE produziert Online-, Fernseh- und Radiobeiträge und sendet in rund 30 Sprachen. Damit ist sie einer der Träger der auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Die Inhalte der Programme haben einen Schwerpunkt auf Nachrichten, Dokumentationen und Kulturberichterstattung. Die DEUTSCHE WELLE sorgte im Frühjahr 2020 für Schlagzeilen, nachdem die TAGESZEITUNG (TAZ) einige Schilderungen von Mitarbeiter:innen veröffentlicht hat. Sie berichteten von einem schlechten Arbeitsklima, von Rassismus, Mobbing und systematischer Unterdrückung von Kritik.

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„Der Frauenanteil im Bundestag ist ein Skandal“

WDR, 02.10.2021 - Liz Shoo

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Der Frauenanteil in deutschen Parlamenten ist ein Skandal, findet die Journalistin und Moderatorin Liz Shoo. Faire Politik hängt nach ihrem Dafürhalten auch damit zusammen, wie divers Parlamente besetzt sind. „[D]ass wir es nicht wenigstens beim Frauenanteil schaffen, finde ich inakzeptabel“, schreibt Shoo im WESTDEUTSCHEN RUNDFUNK (WDR). Denn warum sollten etwa nur Männer über Familienfragen und faire Löhne entscheiden?

Shoo ist überzeugt, dass Männer und Frauen durch ihre unterschiedlichen Lebensrealitäten auch für unterschiedliche Themen einstehen. So sei etwa davon auszugehen, dass der Schutz vor sexueller Gewalt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch einen höheren Frauenanteil in den Parlamenten „deutlich mehr Beachtung finden würden“. Dass eine Frauenquote Früchte trage, lasse sich am Beispiel von Ruanda ablesen: „Das afrikanische Land hat mit 61 Prozent den höchsten Frauenanteil in der Regierung weltweit“, betont Shoo. Den Erfolg führt sie auch auf die im Jahr 2003 eingeführte Frauenquote zurück: Diese sieht im Parlament einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent vor – mit offensichtlichem Erfolg, wie die heutige Quote beweise.

Damit das auch in Deutschland funktioniert, brauche es neben quotierten Wahllisten familienfreundlichere Strukturen in den Parteien. Zu häufig scheitere eine stärkere Frauenbeteiligung daran, dass Familie und Karriere nicht unter einen Hut zu bekommen seien. Hier lohne ein Blick nach Finnland – denn dass die Regierung rund um die 36-jährige Premierministerin Sanna Marin „jung und weiblich“ sei, habe nicht zuletzt mit ausreichend Betreuungsplätzen, 24-Stunden Kitas und Ganztagsbetreuung für Schulkinder zu tun.

Anmerkungen der Redaktion

Liz Shoo ist Journalistin und Moderatorin. Zurzeit moderiert sie bei WDR AKTUELL sowie bei den Magazinen „Focus on Europe“ und „The 77%“ der DEUTSCHEN WELLE (DW).  Shoo hat in Köln Online-Journalismus studiert und später bei der DEUTSCHEN WELLE volontiert. Bei der DEUTSCHEN WELLE hatte sie seitdem mehrere Positionen inne: zunächst als Nachrichtenredakteurin, später als Moderatorin unter anderem bei DW Music, DW English und DW Kiswahili, einem Swahili-sprachigen Angebot der DW.

Der WESTDEUTSCHE RUNDFUNK (WDR) ist die größte der neun Landesrundfunkanstalten der ARD. Er entstand 1956, als sich der NWDR in den NDR und den WDR aufteilte. Die Sendeanstalt hat sechs Radioprogramme und einen Fernsehsender, zu dessen bekanntesten Programmen unter anderem das Politmagazin „Monitor“, die „Sportschau“ oder das Kinderangebot „Die Sendung mit der Maus“ gehören. Laut eigenen Angaben ist der Sender nach Anzahl der Beschäftigten das zweitgrößte Medienunternehmen Europas hinter der BBC. Laut der „Media-Analyse 2021“ erreicht der Fernsehsender des WDR in Deutschland täglich rund 8 Millionen Zuschauer:innen, der Radiosender erreicht rund 11 Millionen Zuhörer:innen. Der Webauftritt des WDR hatte im Februar 2022 laut Similarweb rund 16,1 Millionen Besuche zu verzeichnen.

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„Die verpasste Chance“

Der Spiegel, 19.01.2022 - Milena Hassenkamp

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Die Perspektive in 30 Sekunden

„Warum darf die Politik der Wirtschaft Frauenquoten vorschreiben, Parteien aber nicht?“, gibt die Redakteurin Milena Hassenkamp zu bedenken. Immerhin werde seit Jahren gerätselt, wie es dem Ungleichgewicht von Männern und Frauen entgegenzusteuern gelte. „Doch was viele Politikerinnen und Politiker in der Wirtschaft zu durchbrechen suchen, haben sie in den Parlamenten und in ihren eigenen Parteien nicht geklärt“, prangert Hassenkamp im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL an.

In der Wirtschaft sei die Frauenquote längst etabliert – seit 2016 gilt etwa eine Mindestquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen. Doch in den eigenen Reihen nehme die Politik die ungleiche Teilhabe von Männern und Frauen weiterhin träge in Kauf: „Im Bundestag und in den Länderparlamenten, unter Bürgermeistern und Ministerpräsidenten – überall sind Frauen in der Minderheit“, stellt Hassenkamp heraus. Zwar seien Frauenquoten für die Wahl von Volksvertreter:innen rechtlich komplizierter zu begründen. Doch wer sich umhöre, der wisse auch, dass über viele Posten am Stammtisch entschieden werde – „weil Männer die Macht unter sich verteilen“, überspitzt die Autorin.

Dass der berufliche Aufstieg vor allem an guten Kontakten hänge, sei sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik zu beobachten. „Wenn die Defizite bei der Gleichstellung in Wirtschaft und Politik ähnliche Gründe haben – warum sollte man sie dann nicht auf gleiche Weise zu beheben versuchen?“, argumentiert Hassenkamp. „Eine Gesellschaft, die offenbar nicht freiwillig umdenken will, wird (…) so lange Quoten brauchen, bis dieser Missstand behoben ist.“ 

Anmerkungen der Redaktion

Milena Hassenkamp, geboren 1989, ist Journalistin und seit 2018 Redakteurin im Hauptstadtbüro des SPIEGEL. Die studierte Literaturwissenschaftlerin hat die Evangelische Journalistenschule in Berlin absolviert und unter anderem für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und die ZEIT geschrieben. Zudem hat sie kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim studiert. Für den SPIEGEL ist sie später zunächst als Korrespondentin in Washington tätig gewesen. Seit 2018 arbeitet sie im Hauptstadtbüro des SPIEGELS.

DER SPIEGEL ist ein deutsches Nachrichtenmagazin, das 1947 von Rudolf Augstein gegründet worden und zuletzt (4/21) in einer Auflage von knapp 700.000 Exemplaren erschienen ist. DER SPIEGEL zählt zu den deutschsprachigen Leitmedien: Er prägt die gesellschaftliche Debatte und Öffentlichkeit. In den Jahren 2019 und 2020 war das Magazin das meistzitierte Medium in Deutschland. Eine besondere Rolle im Magazin nimmt bis heute der investigative Journalismus ein. 1963 führten eine solche Recherche und die sogenannte SPIEGEL-Affäre dazu, dass der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß sein Amt räumen musste. DER SPIEGEL wird traditionell als eher linksliberales Medium gesehen, auch in Abgrenzung zu den anderen großen deutschen Nachrichtenmagazinen, dem FOCUS und dem STERN. Bereits Gründer Rudolf Augstein verortete sein Magazin „im Zweifel links“. 1994 wurde der dem SPIEGEL zugehörige, aber redaktionell unabhängige Online-Nachrichtendienst SPIEGEL ONLINE gegründet. Seit dem 8. Januar 2020 heißt auch das Online-Portal DER SPIEGEL, nachdem die Redaktionen der beiden Medien 2019 zusammengelegt wurden. Dennoch ist das Online-Portal immer noch rechtlich und wirtschaftlich unabhängig, da es von einer Tochtergesellschaft betrieben wird. DER SPIEGEL (online) zählt zu den fünf meistbesuchten Nachrichten-Webseiten in Deutschland. 2018 wurde bekannt, dass der langjährige Mitarbeiter Claas Relotius wesentliche Inhalte von (teils preisgekrönten) SPIEGEL-Reportagen erfunden hatte. Hiernach reichte Relotius seine Kündigung ein. Das Blatt sprach von „einem Tiefpunkt in der 70-jährigen Geschichte des SPIEGEL“.

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„Paritätsgesetze sind undemokratisch und anmaßend“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 23.10.2020 - Reinhard Müller

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Der Journalist Reinhard Müller kann den Rufen nach einemParitätsgesetz nichts abgewinnen. Zwar klinge die Vorstellung, dass Parlamente die Zusammensetzung der Bevölkerung gleichberechtigt widerspiegeln, in den Ohren vieler verlockend. „Sie hat aber mit Demokratie nicht mehr viel zu tun“, konstatiert Müller in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG (FAZ).

Eine Pflicht, Wahllisten für Landtagswahlen abwechselnd zu besetzen, greife massiv in die Freiheit der Parteien ein. Müller hält das für inakzeptabel: „[D]ie Parteien müssen demokratischen Grundsätzen entsprechen“, appelliert er. Darüber hinaus stehe es den Wähler:innen frei, ihr Kreuzchen auf dem Stimmzettel dort zu machen, wo sie sich am ehesten repräsentiert sehen. „Parteien, die in Hinterzimmern vorwiegend ältere Herren auf gute Listenplätze setzen, mögen das in der Wahl zu spüren bekommen – oder auch nicht“, meint Müller. Denn ob diese sich selbst Quoten verordnen, oder nicht, sei Teil des politischen Wettbewerbs.

Paritätsgesetzen quittiert er einen „allenfalls zweifelhaften Reiz“: Denn mit gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquoten diktiere der Staat den Bürger:innen, wie eine „ordentliche“ Volksvertretung auszusehen habe. „Das ist anmaßend“, mahnt der Autor. Aus seiner Sicht handelt es sich bei Paritätsgesetzen „um einen massiven Eingriff in die demokratische Willensbildung“ – und das gelte es zugunsten der Wahlfreiheit zu verhindern. 

Anmerkungen der Redaktion

Reinhard Müller ist ein deutscher Jurist und Journalist. Seit 1998 ist er Teil der Redaktion der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG (FAZ) und dort verantwortlich für rechtspolitische Themen und Innenpolitik. Seit Juli 2012 ist Müller zudem verantwortlicher Redakteur für die Rubrik „Zeitgeschehen“. In verschiedenen FAZ-Artikeln wendet sich Müller gegen die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare und ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Außerdem hält er die Einräumung der doppelten Staatsangehörigkeit für eine „Politik, der jedes Gefühl für Staat und Nation, für Sinn und Form völlig abgeht“.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) ist eine deutsche überregionale Tageszeitung. Sie ist 1949 gegründet worden und wird zu den deutschen Leitmedien gezählt. Dies sind Medien, die einen besonderen Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien ausüben. Laut Eigenangabe steht sie „für den Erhalt und die Stärkung der demokratischen Ordnung und der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland“. Die FAZ gilt als liberal-konservatives Blatt. THE EUROPEAN schreibt über die „drei Gesichter“ der FAZ: Sie habe einen eher konservativen, staatstragenden Politikteil, ein linksliberales Feuilleton und einen liberalen Wirtschaftsteil. Die verkaufte Auflage der Zeitung lag zusammen mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG im vierten Quartal 2021 bei knapp 302.000 Exemplaren. Laut der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) hatte der Webauftritt der FAZ, FAZ.NET, im August 2021 rund 16 Millionen Besucher:innen zu verzeichnen.

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„Brauchen wir eine Frauenquote?“

Fluter, 31.03.2021 - Anna Schneider

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Die Perspektive in 30 Sekunden

„Eine gesetzliche Frauenquote würde Frauen reduzieren“, warnt die Redakteurin Anna Schneider. Sie befürchtet, dass Frauen dadurch nur noch als „Frau“ wahrgenommen werden – und nicht mehr als Individuum. „Frauenquoten schaffen Quotenfrauen, was Frauen nicht hilft, Männern auf Augenhöhe zu begegnen“, kommentiert Schneider in einem „Pro und Contra“-Format des Jugendmagazins FLUTER.

Auf eine absolute Verteilung der Geschlechter in Parlamenten zu pochen, bezeichnet die Redakteurin als „identitätspolitische Sackgasse“. Denn: Statt talentierte Individuen zu fördern, begünstige eine Frauenquote pauschal aufgrund des Geschlechts. In Schneiders Augen helfe das keineswegs dabei, diskriminierende Machtstrukturen zu durchbrechen: „Das ist (…) das Gegenteil von Emanzipation, es ist Bevormundung“, kritisiert sie. Vielmehr sei es notwendig, Frauen in Schule, Ausbildung und Studium darin zu bestärken, dass sie die gleichen Chancen und Möglichkeiten wie Männer haben. „Eine Quote ist dafür ein zu plumpes Instrument, da es alle Frauen über einen Kamm schert.“

Dass diejenigen, die sich für eine Quote starkmachen, sich häufig gleichzeitig gegen die „Zwänge des Patriarchats“ stellen, entbehrt laut Schneider jeder Logik. Ihres Erachtens ist es vielmehr die Frauenquote selbst, die an althergebrachten Rollenbildern festhält: „Anstatt Frauen zuzutrauen, dass sie sich trotz Diskriminierungen auf dem freien Markt behaupten können, werden sie als hilflose Wesen stigmatisiert, denen mit gesetzlichem Zwang geholfen werden muss.“

Anmerkungen der Redaktion

Anna Schneider ist österreichische Journalistin und Chefreporterin bei WELT. Zuvor hat sie als Redakteurin für das Berliner Büro der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG gearbeitet. Sie ist Gründungsmitglied der Rechercheplattform Addendum und leitet dort die Ressorts Innenpolitik und politisches Feuilleton. Von 2014 bis 2017 war Schneider Referentin für Verfassung und Menschenrechte im NEOS-Parlamentsklub. Sie hat Rechtswissenschaften und Kunstgeschichte an der Universität Wien studiert. Sie definiert sich selbst als „brutalliberal“, auf Twitter beklagt sie „ideologiegetriebene Sprachregeln“ und einen als Antirassismus verkleideten Rassismus gegenüber Weißen. Sie kritisiert die Klimabewegung Fridays For Future, diese wolle den Kapitalismus abschaffen.

FLUTER ist das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung. Es ist kostenfrei, erscheint vierteljährlich mit einer Auflage von rund 400.000 Exemplaren und bezeichnet sich selbst als „nicht-kommerzielle Medienplattform, die Jugendlichen von 16 bis 22 nutzbare Inhalte aus den Bereichen Politik und Kultur anbietet“. Jedes Heft hat einen Themenschwerpunkt, der sich gesellschaftspolitischen Themen widmet. Ziel des FLUTER ist es, das Grundverständnis von Demokratie zu fördern. Chefredakteur ist der Journalist Thorsten Schilling, der zugleich Leiter des Fachbereichs Multimedia & IT der Bundeszentrale für politische Bildung ist. Den redaktionellen Inhalt gestaltet der Dummy Verlag, der beispielsweise das Gesellschaftsmagazin DUMMY herausgibt. DUMMY hat vor allem für seine Reportagen und Fotografien viele Medienpreise gewonnen.

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„So geht Gleichstellung nicht“

Süddeutsche Zeitung, 23.10.2020 - Jan Heidtmann

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„So geht Gleichstellung nicht“, findet der Korrespondent Jan Heidtmann. Zwar sei es angesichts der ungleichen Geschlechterverteilung in deutschen Parlamenten richtig, wenn die Parteien versuchen, mehr Frauen in die eigenen Reihen zu holen. „Doch das Paritätsgesetz ist der falsche Weg“, betont der Kommentator in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG (SZ).

Eine Lösung für dieses Dilemma hat Frankreich gefunden, berichtet Heidtmann: Dort sei die Parteienfinanzierung an paritätisch besetzte Wahllisten geknüpft. Die volle staatliche Unterstützung erhalte in Frankreich nur, wer die Wahllisten gleichermaßen mit Frauen und Männern besetzt. „Das ist ein starker Anreiz und lässt trotzdem jeder Partei die Möglichkeit, selbst zu entscheiden”, lobt Heidtmann. Der Frauenanteil in der französischen Nationalversammlung sei inzwischen immerhin auf 40 Prozent geklettert.

Laut Heidtmann beweisen auch die Urteile der Verfassungsgerichte – die die ersten beiden deutschen Paritätsgesetze kassierten –, dass die Freiheit einer demokratischen Wahl mehr zählt als die Forderung nach der Gleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern. „Gesellschaftspolitisch mag das schwer nachvollziehbar sein, politisch aber ist es richtig“, argumentiert er. Aber: „Ein Blick nach Frankreich zeigt, wie es gehen kann.“

Anmerkungen der Redaktion

Jan Heidtmann ist Journalist und Korrespondent der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG (SZ) für Berlin und Brandenburg. Er hat beim STERN als Parlamentsreporter gearbeitet und als freier Autor für DIE ZEIT und DIE WOCHE geschrieben. 2001 hat er im Süddeutschen Verlag beim Magazin der SZ begonnen, 2013 wechselte er in die innenpolitische Redaktion der Zeitung. Anschließend half er mit, das Ressort Meinung aufzubauen. Er hat Wirtschaftswissenschaft und Politik studiert.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (SZ) ist eine deutsche überregionale Tageszeitung aus München. Sie erscheint seit 1945 als Nachfolger der MÜNCHNER NEUSTE NACHRICHTEN. Seit 1947 wird sie von der „Süddeutschen Verlags GmbH“ produziert und ist besonders durch ihre „Seite Drei-Reportagen“ und die kritische Glosse „Streiflicht“ bekannt. Mit einer Auflage von zuletzt 320.991 (4/2021) ist sie in Deutschland nach der BILD die zweitmeist verkaufte deutsche Tageszeitung, auch wenn ihre Auflage insgesamt abnimmt. Die Blattlinie der Zeitung gilt als linksliberal. Zusammen mit dem WDR und dem NDR hat die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG einen investigativen Rechercheverband, der zahlreiche investigative Recherchen veröffentlicht hat, u.a. zu Steuerschlupflöchern und über die Ibiza-Affäre um den damaligen FPÖ-Vorsitzenden Strache. Für die Aufklärung über die Panama Papers erhielten SZ-Journalist:innen 2017 einen Pulitzer-Preis für investigative Recherche.

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„Paritätsgesetz in Thüringen endgültig gekippt“

MDR, 18.01.2022 - Redaktion MDR Thüringen

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Nach Brandenburg verabschiedete Thüringen im Jahr 2019 als zweites Bundesland ein Paritätsgesetz. Warum die bundesweiten Pioniere vorerst weiterhin vergeblich auf quotierte Wahllisten warten, erklärt ein Redaktionsteam des MITTELDEUTSCHEN RUNDFUNKS (MDR) THÜRINGEN.

In Thüringen stammte das Paritätsgesetz aus der Feder der damaligen rot-rot-grünen Landesregierung: „Linke, Grüne und SPD wollten auch die anderen Parteien dazu verpflichten, ihre Landtags-Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen“, erinnert der MDR. Doch die AfD reichte Klage ein – und bekam recht: Im Sommer 2020 kippte das Thüringer Verfassungsgericht das Paritätsgesetz.

Wie das Rechtsmagazin LEGAL TRIBUNE ONLINE berichtet, unterstützten sechs männliche Richter das Urteil. Drei weitere stimmten jedoch dagegen – darunter auch die einzigen beiden weiblichen Mitglieder des Spruchkörpers. Begründet wurde dieses unter anderem damit, dass Parteien ihr Personal durch eine Quotenregelung nicht mehr frei wählen könnten. Außerdem seien diese angesichts eines Paritätsgesetzes möglicherweise gezwungen, „aus ihrer Sicht weniger gut geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten“ aufzustellen.

Ein ähnliches Urteil folgte wenig später in Brandenburg: Dort wurde das erste Paritätsgesetz Deutschlands nach Klagen von NPD und AfD vom Potsdamer Verfassungsgericht einkassiert. Doch der Widerstand gegen die Urteile ließ nicht lange auf sich warten: Auf Initiative des Thüringer Landesfrauenrats zogen einige Beschwerdeführer:innen vor das Bundesverfassungsgericht. Der Erfolg blieb dennoch aus: Die Beschwerde sei nicht ausreichend begründet worden, ließ Karlsruhe im Januar 2022 verlauten. Eine Beschwerde aus Brandenburg liegt dort inzwischen auch auf dem Tisch – die Antwort wird noch erwartet.

Anmerkungen der Redaktion

Der MITTELDEUTSCHE RUNDFUNK (MDR) ist die Landesrundfunkanstalt für das Land Sachsen-Anhalt sowie für die Freistaaten Sachsen und Thüringen. 1991 wurde der MDR gegründet und startete 1993 auch im Fernsehen. Der MDR ist Teil der öffentlich-rechtlichen Sender und Mitglied der ARD. Er wird hauptsächlich über die Rundfunkgebühren finanziert. Durch den Rundfunkstaatsvertrag ist die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit festgeschrieben. Zu den Radiosendern gehören MDR Sachsen, MDR Sachsen-Anhalt, MDR Thüringen, MDR Jump, Sputnik, MDR Tweens, MDR Kultur, MDR Aktuell und MDR Klassik. Seine Auslandskorrespondent:innen hat der MDR in Brüssel, Washington, Paris, Zürich, Prag, Neu-Delhi und Shanghai. Intendantin ist seit 2011 die Juristin Karola Wille. Der MDR betreibt außerdem das Portal MDR360G, das einen umfassenden Blick über die Medienwelt ermöglichen soll, indem Analysen, Texte und Videos zum Thema Medien und Funktionsweise der Medien auf MDR360G veröffentlicht werden.

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„Frauen in den Länderparlamenten“

Landeszentrale für politische Bildung (LPB) Baden-Württemberg, 04.05.2022 - Beate Dörr, Annick Poirot, Laura Ilg

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„In den Parlamenten auf Landes- oder Bundesebene wird nirgends eine geschlechtergerechte Verteilung der Mandate erreicht“, halten die Autorinnen Beate Dörr, Annick Poirot und Laura Ilg für die LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (LPB) BADEN-WÜRTTEMBERG fest. Im April 2022 liegt der Frauenanteil in den 16 Bundesländern im Gesamtüberblick zwischen 27,3 und 43,9 Prozent.

Den Spitzenplatz der Statistik belegt mit 43,9 Prozent Hamburg – das Parlament des Stadtstaates kommt im Frauenanteil als einziges unter den Bundesländern auf über 40 Prozent. Mit einigen Prozentpunkten Abstand folgen das Saarland (37,3 %), Bremen (36,9 %), Mecklenburg-Vorpommern (36,7 %), Berlin (36,1 %) und Hessen (34,3 %).

Denletzten Platz der Skala belegt Bayern mit einem Frauenanteil von 27,3 Prozent – dicht gefolgt von Nordrhein-Westfalen (27,6 %). Auch unter den Schlusslichtern befinden sich Sachsen (27,7 %), Sachsen-Anhalt (27,8 %), Niedersachsen (28,5 %) und Baden-Württemberg (29,9 %). Mit einer Quote von knapp über 30 Prozent liegen Thüringen (31 %), Schleswig-Holstein (31,5 %), Rheinland-Pfalz (31,7 %) und Brandenburg (31,8 %) im Mittelfeld.

Anmerkungen der Redaktion

Diese Perspektive wurde von der LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (LPB) BADEN-WÜRTTEMBERG sowie den Politikwissenschaftsstudentinnen Laura Ilg und Annick Poirot geschrieben. Zudem hat Beate Dörr, die Fachreferentin für Frauen und Politik bei der LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (LPB) BADEN-WÜRTTEMBERG, mitgewirkt.

Die LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (LPB) BADEN-WÜRTTEMBERG ist eine staatliche Einrichtung des Bundeslandes Baden-Württemberg und liegt im Geschäftsbereich des Landtags. Sie dient der Stärkung des Demokratiebewusstseins und der Information über politische Themen. Die Arbeit der Landeszentrale soll überparteilich sein. Gewährleistet werden soll das durch ein Kuratorium an 17 Mitgliedern des Landtags. Die AfD ist seit der letzten Legislaturperiode in diesem Kuratorium nicht mehr vertreten, nachdem ihr vorgeworfen wurde, in der vorhergehenden Legislaturperiode versucht zu haben, die LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (LPB) „madig“ zu machen und abzuschaffen. Die AfD hatte beispielsweise 2017 gefordert, der LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (LPB) die Mittel zu streichen, nachdem diese sich für die Aktion „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ stark gemacht hatte. Anders als man annehmen könnte, sind die Landeszentralen für politische Bildung nicht der Bundeszentrale für politische Bildung untergestellt, sondern setzen eigene Themenschwerpunkte.