Gender-Debatte: Sollte in allen Veröffentlichungen des Landes künftig gegendert werden?

02.05.2022 - Themenbereiche: Gleichstellung/Gendermainstreaming, Nordrhein-Westfalen, Politik, Wahlen und Beteiligung
Ein Stift liegt auf einem typischen Papierformular einer deutschen Behörde

Kurzfassung

Für die einen ist es ein durch das Grundgesetz hervorgehendes Recht, für die anderen eine Verhunzung der deutschen Sprache – oder gar eine unrechtmäßige Bevormundung. Um das Gendern wird seit Jahren eine heftige und emotional aufgeladene Debatte geführt. Gerade wie Behörden ihre Ansprache ausrichten sollen, ist dabei immer wieder Diskussionsgegenstand. Erst gegen Ende letzten Jahres hatte ein Gutachten der Juristin und Professorin für Geschlechterstudien, Ulrike Lembke, hohe Wellen geschlagen: Sie kam darin zum Schluss, dass Gendersprache für alle staatlichen Stellen sogar verpflichtend sein müsse. Das gehe aus dem dritten Artikel des Grundgesetzes hervor, der da lautet: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.

Parteipositionen in Nordrhein-Westfalen

Auch bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bleibt diese Debatte ein großes Thema. Während im Wahlprogramm der Grünen durchgehend mit „Gender-Sternchen“ gearbeitet wird, finden sich bei der SPD Paarformeln wie „Bürgerinnen und Bürger“: Anders als die Grünen fordert die SPD allerdings explizit eine gendersensible Behördensprache im Wahlprogramm: „Wir wollen, dass nicht schon in der Sprache und Ansprache die Unterschiede der Geschlechter deutlich werden. Daher werden wir auf eine geschlechtergerechte und geschlechterneutrale Sprache im Land und in den Kommunen achten“, liest man im SPD-Wahlprogramm. Bei den Grünen heißt es: Es sei das Ziel, „dass öffentliche Einrichtungen für die soziale, kulturelle und geschlechtliche Vielfalt unserer Gesellschaft sensibilisiert sind“.

Bei der FDP und der CDU werden im Wahlprogramm in seltenen Fällen zwar Paarformeln benutzt. Für eine geschlechterneutrale Behördensprache setzt man sich dort aber nicht ein. Einen Schritt weiter geht die AfD. Sie schreibt in ihrem Wahlprogramm: Die AfD favorisiere eine „natürliche Sprache“. „Folgerichtig lehnen wir die Verdrängung des generischen Maskulinums sowie die Einführung einer sogenannten Gender-Schreibweise strikt ab und fordern ein Verbot der Verpflichtung von Behörden zur Verwendung gendergerechter Schreibweise.“

Sollten Behörden in Zukunft eine gendersensible Sprache in ihren Veröffentlichungen verwenden? Oder sind die Formulierungen zu häufig inkonsistent und überfordernd?

Acht Perspektiven

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„Ich frage mich, wovor diese Menschen eigentlich Angst haben“

Der Spiegel, 23.03.2022 - Friederike Kämpfe, Lisa Duhm

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Kurz vor der Landtagswahl ist das Gendern in Behörden auch in NRW ein heiß diskutiertes Thema. Im SPIEGEL erläutert die Gleichstellungsbeauftragte Friederike Kämpfe, warum das Gendern in Behörden entgegen der Meinung vieler Kritiker:innen ein großer Erfolg sein könne. Fest macht Kämpfe das anhand ihrer eigenen Arbeit in Hannover: Hier wird auf Initiative der Gleichstellungsbeauftragten seit drei Jahren in den Hannoveraner Behördentexten und Anschreiben (nicht aber in Gesetzestexten) konsequent gegendert. „Es ist selbstverständlicher geworden, geschlechtergerechte Sprache anzuwenden“, hebt die studierte Pädagogin heraus. Das freue sie besonders: „Es ist nicht die eine große Veränderung, sondern die vielen kleinen Dinge, die ich bemerke.“

Dabei habe es anfangs heftigen Gegenwind gegen ihre Bemühungen für eine gendergerechte Sprache gegeben. Gerade in den sozialen Medien habe man auch Beleidigungen lesen können, die unter die Gürtellinie gegangen seien: Von „übergeschnappten Emanzen“ sei da beispielsweise die Rede gewesen.

Wirklich verstehen könne sie die Kritik nicht, meint Kämpfe: Denn von einer geschlechtergerechten Sprache hätten „sehr viele Menschen etwas“. „Im Gegenzug schließt man die Hälfte der Bevölkerung aus, wenn man das generische Maskulinum verwendet. Dabei tut es wirklich nicht weh, geschlechterumfassende Sprache anzuwenden“, gibt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hannover zu Bedenken. Die Frage der Schönheit solcher Formulierungen sollte man im Übrigen nachrangig behandeln, zeigt sich Kämpfe überzeugt: Denn „Sprache schafft Wirklichkeit und deshalb sollte sie präzise sein“.

Anmerkungen der Redaktion

Friederike Kämpfe ist die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Hannover. Diese Position bekleidet die studierte Pädagogin und Politikwissenschaftlerin seit 2012. Ihre Aufgaben bestehen unter anderem darin, Ansprechpartnerin zu Frauen- und Gleichstellungsthemen zu sein, für die Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Stadtverwaltung einzutreten und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Sie hat mehrere Jahre für die Grünen-Politikerin Helge Limburg gearbeitet und ist Referentin für Wissenschaft und Kultur bei den Grünen gewesen. Vor ihrer Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Hannover ist Kämpfe wissenschaftliche Mitarbeiterin gewesen im Gleichstellungsbüro der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen.

Lisa Duhm ist Redakteurin beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Sie hat Amerikanistik, Politik und Journalistik in Hamburg und Aarhus studiert. Nach mehreren Stationen als Redakteurin beim NDR und der Studentennachrichtenseite PANDEIA, freie Journalistin für das Kinder- und Jugendmagazin GEOlino und als US-Korrespondentin für die DEUTSCHE PRESSEAGENTUR (DPA) ist sie zum SPIEGEL gewechselt. Zunächst als Volontärin – später im Bildungsressort von SPIEGEL ONLINE, im Ressort Deutschland/Panorama und in der Redaktionsvertretung in Frankfurt.

DER SPIEGEL ist ein deutsches Nachrichtenmagazin, das 1947 von Rudolf Augstein gegründet worden und zuletzt (4/21) in einer Auflage von knapp 700.000 Exemplaren erschienen ist. DER SPIEGEL zählt zu den deutschsprachigen Leitmedien: Er prägt die gesellschaftliche Debatte und Öffentlichkeit. In den Jahren 2019 und 2020 war das Magazin das meistzitierte Medium in Deutschland. Eine besondere Rolle im Magazin nimmt bis heute der investigative Journalismus ein. 1963 führten eine solche Recherche und die sogenannte SPIEGEL-Affäre dazu, dass der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß sein Amt räumen musste. DER SPIEGEL wird traditionell als eher linksliberales Medium gesehen, auch in Abgrenzung zu den anderen großen deutschen Nachrichtenmagazinen, dem FOCUS und dem STERN. Bereits Gründer Rudolf Augstein verortete sein Magazin „im Zweifel links“. 1994 wurde der dem SPIEGEL zugehörige, aber redaktionell unabhängige Online-Nachrichtendienst SPIEGEL ONLINE gegründet. Seit dem 8. Januar 2020 heißt auch das Online-Portal DER SPIEGEL, nachdem die Redaktionen der beiden Medien 2019 zusammengelegt wurden. Dennoch ist das Online-Portal immer noch rechtlich und wirtschaftlich unabhängig, da es von einer Tochtergesellschaft betrieben wird. DER SPIEGEL (online) zählt zu den fünf meistbesuchten Nachrichten-Webseiten in Deutschland. 2018 wurde bekannt, dass der langjährige Mitarbeiter Claas Relotius wesentliche Inhalte von (teils preisgekrönten) SPIEGEL-Reportagen erfunden hatte. Hiernach reichte Relotius seine Kündigung ein. Das Blatt sprach von „einem Tiefpunkt in der 70-jährigen Geschichte des SPIEGEL“.

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„Gendern – warum es sich lohnt, darüber nachzudenken“

Rheinische Post, 17.10.2021 - Maren Haukes-Kammann

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Es reiche nicht, andere Geschlechter einfach nur „mitzumeinen“, spricht sich Maren Haukes-Kammann von der Frauenberatungsstelle IMPULS für eine geschlechtergerechte Sprache aus. Daher brauche es statt dem generischen Maskulinum auch die weiblichen Sprachformen: geschlechtergerechte Sprache also. „Sprache erzeugt Bilder in unseren Köpfen, stößt Gedankengänge an, sagt etwas über uns selbst und unsere gesellschaftliche Prägung aus, Sprache verbindet und grenzt aus“, argumentiert Haukes-Kammann in der RHEINISCHEN POST. Gerade in Behörden, die alle Menschen ansprechen sollten, kann eine geschlechtersensible Sprache damit Vorteile bringen.

Das könne man sich leicht an einem Beispiel klarmachen. „Ein Vater und sein Sohn sind mit dem Auto unterwegs und werden bei einem Unfall schwer verletzt. Der Vater stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus, der Sohn muss sofort operiert werden. Bei seinem Anblick erblasst der diensthabende Chirurg und sagt: „Ich kann ihn nicht operieren – das ist mein Sohn!“ Wer ist diese Person?“, beschreibt Haukes-Kammann.

Menschen versuchten nun, die verschiedenen Informationen logisch zusammenzubringen – es entstünden Bilder im Kopf. Bei den wenigsten Personen entstünde aber das richtige Bild im Kopf: dass „der diensthabende Chirurg“ weiblich und die Mutter des Jungen ist. Dieses Beispiel zeigt laut Haukes-Kammann, „dass wir keineswegs automatisch mitdenken, was möglicherweise fehlt“. Die Bilder, die das generische Maskulinum hervorrufe, meinten Frauen eben nicht mit.

Anmerkungen der Redaktion

Maren Haukes-Kammann ist Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle IMPULS im nordrhein-westfälischen Landkreis Kleve. Die Diplom-Sozialwissenschaftlerin arbeitet unter anderem als systemische Beraterin und Entspannungspädagogin für Kinder und Jugendliche sowie Anti-Gewalt-Trainerin mit dem Schwerpunkt häusliche Gewalt. Für die RHEINISCHE POST schreibt Haukes-Kammann des Öfteren Artikel über Themen, die mit ihrer Arbeit im Zusammenhang stehen: beispielsweise Body Positivity, Feminismus und sexualisierte beziehungsweise häusliche Gewalt.

Die RHEINISCHE POST ist eine regionale Tageszeitung, die zur „Rheinische Post Mediengruppe“ gehört. Der Schwerpunkt der Berichterstattung liegt auf Nordrhein-Westfalen. Die Zeitung wurde 1946 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Düsseldorf. Chefredakteur ist Moritz Döbler. Laut einem Ranking von KRESS.DE war die RHEINISCHE POST die zweitmeist zitierte Regionalzeitung Deutschlands. Die verkaufte Auflage lag im vierten Quartal 2021 bei rund 249.879 Exemplaren. Das entspricht einem Minus von 37,6 Prozent seit 1998. Trotzdem dominiert die RHEINISCHE POST laut ÜBERMEDIEN den Markt Düsseldorfer Lokalzeitungen und hat andere Lokalangebote weitestgehend verdrängt. Für die Berichterstattung über einen Fall mehrfacher Kindstötung in Solingen hat die RHEINISCHE POST zusammen mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und der BILD eine Rüge des Presserats erhalten. Die RHEINISCHE POST hatte Chatnachrichten eines Kindes veröffentlicht.

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„Entspannt Euch!“

Cicero, 04.06.2021 - Bettina Jarasch

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Nicht nur in Hannover wurden heftige Diskussionen um das Gendern geführt. In Hamburg und Berlin wurden vor den Landtagswahlen 2020 und 2021 ähnliche Debatten bestritten wie nun in Nordrhein-Westfalen: In Hamburg hatte der CDU-Vorsitzende Christoph Ploß gefordert, das Gendern in Behörden zu verbieten. Warum die Grüne Bettina Jarasch, Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz im Berliner Senat von der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), das das für falsch hält, erläutert sie in einem Gastbeitrag im eher konservativ ausgerichteten CICERO.

Jarasch fordert einen gelasseneren Umgang mit der Debatte um das Gendern. „Wir können durch erlernte Sprachmuster andere verletzen – warum also nicht auf diese Worte verzichten?“, fragt sie rhetorisch. Für sie sei es „der kleinste gemeinsame Nenner“ in einer Gesellschaft, „dass ich mich bemühe, so zu sprechen, dass ich niemanden beleidige, herabsetze oder ausgrenze“. Auch sie selbst habe schon verletzende oder nicht geschlechtergerechte Sprache verwendet. Dann entschuldige man sich und lasse es dabei bewenden – ohne großes Aufheben darum zu machen.

Die Gesellschaft verändere sich und mit ihr auch die Sprache. „Er Arzt, sie Krankenschwester – das ist einfach nicht mehr 2021“, kommentiert Jarasch süffisant. Die meisten jüngeren Menschen verwendeten schon automatisch eine geschlechtergerechte Sprache, beschreibt Jarasch ihre Erfahrungen in Berlin. Übrigens seien auch viele Anglizismen, „die wir heute selbstverständlich benutzen“, früher ungewohnt gewesen. Das Gendern sei damit lediglich Ausdruck einer sich verändernden Gesellschaft. Das bringe natürlich Verunsicherung mit sich. „Damit müssen wir umgehen. Ich rate dabei zu Gelassenheit und mehr gegenseitigem Verständnis“, so die Berliner Bürgermeisterin. Mit mehr Gelassenheit und gegenseitigem Verständnis sei die Entwicklung um das Gendern nichts anderes als ein Weg, den man als Gesellschaft gemeinsam beschreite – und austeste, was funktioniere und was nicht.  

Anmerkungen der Redaktion

Bettina Jarasch ist seit dem 21. Dezember 2021 amtierende Bürgermeisterin von Berlin sowie Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz im Berliner Senat unter der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Jarasch hat Philosophie, Politik- und Literaturwissenschaft in Berlin studiert. Vor ihrer politischen Karriere hat sie zunächst als Journalistin gearbeitet, unter anderem für die AUGSBURGER ALLGEMEINE. Bei den Grünen begann Jarasch zunächst als Referentin im Büro der Bundestagsfraktion, bevor sie 2009 kündigte und der Partei beitrat. 2011 ist sie gemeinsam mit Daniel Wesener zur Vorsitzenden des Landesverbands Berlin gewählt worden. Sie gilt als Vertreterin der „Realos“ bei den Grünen: Damit wird derjenige Flügel der Partei bezeichnet, der sich auch bürgerlichen Themen widmet und den Klima- und Umweltschutz nicht bedingungslos an oberste Stelle setzt.

CICERO ist ein monatlich erscheinendes politisches Magazin, das im vierten Quartal 2021 in einer verkauften Auflage von rund 41.200 Exemplaren erschienen ist (die verbreitete Auflage lag bei rund 43.200). Der CICERO ist 2004 von Wolfram Weimer gegründet worden, der bis 2010 Herausgeber war. Das Magazin gilt als traditionell konservatives Medium. Schwerpunkte der Berichterstattung liegen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur. Das GOETHE-INSTITUT befindet, die Redakteur:innen zielten vor allem auf eine akademische Leser:innenschaft. Seit der Chefredaktion von Christoph Schwennicke und Alexander Marguier mehren sich auch Stimmen, die dem Magazin vorwerfen, inhaltlich nach rechts gerückt zu sein. Schwennicke ist im Januar 2021 aus der Redaktion ausgestiegen. Die TAZ und das Medienmagazin MEEDIA sehen den ehemaligen Kultur-Ressortleiter Alexander Kissler (seit August 2020 bei der NZZ) als treibende Kraft hinter diesem Rechtsruck. MEEDIA befindet, Kissler schreibe Texte, „für die das Label konservativ schon fast euphemistisch ist“; die TAZ sieht ihn an der Grenze zum Rechtspopulismus. ÜBERMEDIEN kennzeichnete den CICERO 2019 als „für ganz links zu rechts, für ganz rechts zu mittig“.

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„Soll da wegen einer Gesinnung gegendert werden?“

Tagesspiegel, 26.05.2021 - Peter Schlobinski, Georg Ismar

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Der Hannoveraner Sprachwissenschaftler und Professor für Germanistische Linguistik, Peter Schloblinski, spricht sich gegen ein „eigenmächtiges“ Gendern in Behörden aus. Er empfiehlt, sich an die Normen des Rechtschreibrates zu halten. Der Rechtschreibrat hatte erst im März 2021 erneut betont, dass „die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen“ nicht empfohlen sei.

Die Empfehlungen des Rechtschreibrates würden extra für offizielle Institutionen entwickelt, meint Schloblinski. Und an diese Empfehlungen sollte man sich dringend halten. Denn, „wenn jetzt jeder davon abweicht – wir haben in Hannover den Stern, in Lübeck den Doppelpunkt –, dann führt das zu einer nicht vereinheitlichten Rechtschreibung“, argumentiert der Sprachwissenschaftler. Und eine uneinheitliche Rechtschreibung erschwere das Verständnis.

Als Sprachwissenschaftler falle Schloblinski zudem etwas weiteres negativ auf: „Die Schreibungen wie mit dem Sternchen führen zu vielen sinnlosen und linguistisch widersprüchlichen Formen“, kritisiert der Linguistik-Professor. Auch die Verwendung des Partizips könne zu ungewollten Ergebnissen führen. In Berlin habe man beispielsweise die Begriffe „Ausländerinnen“ und „Ausländer“ als Bezeichnung für Einwohner:innen ohne deutsche Staatsbürgerschaft ersetzen wollen. Dabei sei man auf den Begriff „Einwohnende“ gekommen – als Bezeichnung für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die in Berlin leben. „Also ich wohne vielleicht eine Wohnung ein, aber ein Einwohnender ist kein Einwohner und schon gar nicht ein Staatsbürger“, spottet Schloblinski.

Anmerkungen der Redaktion

Peter Schloblinski ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und Professor für Germanistische Linguistik. Dort forscht er schwerpunktmäßig zum Bereich Soziolinguistik und Internetlinguistik: also unter anderem der Forschung zur Sprachvariation, „Sprache – Macht – Gewalt“, Sprache im politischen Diskurs sowie Kommunikation und Digitalisierung. Seit 2015 ist er zusätzlich Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache: Der eingetragene Verein wird hauptsächlich von der Kultusministerkonferenz finanziert und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die deutsche Sprache zu untersuchen, zu pflegen und Empfehlungen zum Sprachgebrauch herauszugeben. Der Verein unterhält einen Redaktionsstab, der Bundestag, Bundesrat sowie Behörden bei Sprachfragen berät. Als geeignete Mittel des Genderns erkennt die Gesellschaft für deutsche Sprache nur Doppelnennungen an. Schlobinski hat an der Freien Universität Berlin Germanistik, Sportwissenschaft und Geschichte studiert. Nach zwei Jahren als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Stadtsprache Berlin“ promovierte er 1984. 1988 trat er der Gesellschaft für deutsche Sprache bei und habilitierte sich vier Jahre später. Nachdem er zwei Jahre lang eine Professur für Germanistische Linguistik an der LMU München besetzt hatte, wurde er 1995 an die Leibniz Universität Hannover berufen.

Georg Ismar ist Journalist und leitet die Hauptstadtredaktion des TAGESSPIEGELS. Dort ist er verantwortlich für die innenpolitische Berichterstattung. Ismar hat unter anderem für die DEUTSCHE PRESSEAGENTUR geschrieben und war dort bundespolitischer Korrespondent und Regionalbüroleiter in Lateinamerika. Ismar hat Iberische und Lateinamerikanische Geschichte, Mittlere und Neuere Geschichte und Politikwissenschaften studiert.

Der TAGESSPIEGEL ist eine 1945 gegründete Tageszeitung aus Berlin. Er hat mit 110.000 Exemplaren (4/2021) die höchste Auflage unter den Berliner Abonnementzeitungen und wird im Unterschied zur BERLINER ZEITUNG traditionell vor allem in den westlichen Bezirken der Stadt gelesen, da die Mauer die Verbreitung der Zeitung auf Westberlin beschränkte. Seit 2014 erhält der TAGESSPIEGEL besondere Aufmerksamkeit durch den Checkpoint Newsletter, der täglich aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft berichtet. EUROTOPICS beschreibt die Blattlinie der Zeitung als liberal. Der TAGESSPIEGEL wurde lange Zeit den regionalen Zeitungen zugerechnet, verfolgt seit einigen Jahren jedoch verstärkt eine überregionale Ausrichtung. Die Printauflage bleibt jedoch stark regional dominiert.

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„Gendern: Auch Sprachnormen dienen der Gerechtigkeit“

Neue Zürcher Zeitung, 27.07.2021 - Zsuzsa Breier

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Die Perspektive in 30 Sekunden

In der häufig als liberal-konservativ eingeordneten NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG kritisiert die Publizistin, Literaturwissenschaftlerin und FDP-Politikerin Zsuzsa Breier eine, wie sie es nennt, „ideologisch begründete Revolutionierung der Sprache“. Sie hält das „Einhalten von verbindlichen und allgemein anerkannten Regeln“ in der Sprache für elementar. Diese Regeln bezeichnet sie als „Sprachnormen“. Solche Sprachnormen ermöglichten erst das gegenseitige Verständnis innerhalb einer Gesellschaft.

Die „Gendersprache“ setze sich über die bestehenden Sprachnormen hinweg. Diese seien im Übrigen noch einmal vom deutschen Rechtschreibrat bekräftigt worden (siehe Contra 1 in dieser Ausgabe). Damit erschwere Gendersprache die Kommunikation und das Verstehen zwischen Menschen. Auch gelte in der Sprache das Gesetz der Sprachökonomie. „Sprache strebt nach Einfachheit, nicht nach Kompliziertheit – und schon gar nicht nach ideologisch begründeten Regeln“, gibt Breier zu Bedenken. Die Nennung von Formen wie „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ laufe dieser Sprachökonomie zuwider.

Und noch etwas stoße ihr sauer auf: „Indem sich eifrige Gender-Advokaten ausgerechnet im Namen der Gerechtigkeit über die Sprachnorm hinwegsetzen, mit dem Argument, ‚ein Grossteil [sic!] der Gesellschaft‘ sei vom heutigen Sprachgebrauch exkludiert, exkludieren sie einen Teil der Gesellschaft als ‚Rückwärtsgewandte‘, ‚Ewiggestrige‘, ‚Fortschrittshemmer‘ und ‚Reaktionäre‘.“ Die bestehenden Sprachnormen sorgten auch dafür, dass sich niemand ausgegrenzt fühlen müsse, meint die Literaturwissenschaftlerin. Zumindest, solange man die Sprachnormen beherrsche. Breiers Fazit lautet daher: Die Gendersprache „zeugt (…) von einem elitären Denken, das Sprachnorm und Sprachgemeinschaft ignoriert“.

Anmerkungen der Redaktion

Zsuzsa Breier ist eine deutsch-ungarische Literaturwissenschaftlerin, FDP-Politikerin und Autorin. Breier hat in Budapest und Heidelberg Germanistik, Slawistik und Kulturwissenschaft studiert und im Anschluss promoviert. Als Dozentin hat sie zunächst in Budapest an der Loránd-Eötvös-Universität und an der Humboldt-Universität in Berlin gearbeitet. Im Jahr 2000 arbeitete sie in der ungarischen Botschaft als Leiterin der Kulturabteilung und Mitglied der politischen Abteilung. 2004 verließ sie den diplomatischen Dienst wieder. Der TAGESSPIEGEL urteilte: Breier habe „die ungarische Botschaft zu einem Ort kultureller Ausstrahlung gemacht“; FDP-Politiker Wolfgang Gerhardt bezeichnete sie als „Frau mit Kultur“ und „wirbelnde Managerin“. Später arbeitete Breier als Staatssekretärin für Europaangelegenheiten im 2012 FDP-geführten Justiz-, Integrations- und Europaministerium der Hessischen Landesregierung. Die Grünen und die Linken warfen Breier vor, sich nicht genug vom ungarischen Präsidenten Viktor Orbán distanziert zu haben. Breier bezeichnete Orbán als „Demokraten“ – in einer Zeit, in der Orbán gegen die EU wetterte und mutmaßlich versuchte, den ungarischen Rechtsstaat zu untergraben sowie die Pressefreiheit einzuschränken. Seit 2016 arbeitet Breier als freie Autorin. 2019 kandidierte sie als Spitzenkandidatin der FDP Bremen bei der Europawahl.

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ist 1780 gegründet worden und gilt als Leitmedium im deutschsprachigen Raum sowie als wichtigste überregionale Tageszeitung der Schweiz. Die NZZ wird von EUROTOPICS als liberal-konservativ bezeichnet und hat nach eigener Angabe eine „freisinnig-demokratische“ Ausrichtung. Der NDR schreibt, die NZZ sei gekennzeichnet von einer „urliberalen Haltung, Weltoffenheit und einem nüchternen Ton“; der Medienwissenschaftler Uwe Krüger sieht sie als konservativ, liberal und bürgerlich. Seit Eric Gujer 2015 Chefredakteur wurde, spricht etwa der DEUTSCHLANDFUNK von einem „Rechtsrutsch“ in der Berichterstattung. Der NDR befindet, Gujer habe die „NZZ um typisch rechtskonservative Themen und Meinungen erweitert“. Hierbei wird auch auf die gesonderte Rolle der Berlin-Redaktion der Zeitung verwiesen, etwa von der ZEIT, die diese als treibende Kraft hinter einer Orientierung nach rechts sieht.

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„Symbolkämpfe in der Sackgasse“

Taz, 03.07.2021 - Dörte Stein

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Die Grafikdesignerin Dörte Stein sieht die gendergerechte Sprache als „gescheitert“ an. In der linken TAGESZEITUNG (TAZ) erläutert sie, warum: Formen wie das „Gender-Sternchen“ seien ihrer Meinung nach diskriminierend. „Die Sprache absichtlich zu verkomplizieren, bedeutet zwangsläufig auch, die Hürde höher zu legen und Andere aus dem Diskurs auszuschließen“ beschwert sich Stein.

Menschen, deren Muttersprache nicht deutsch ist und Menschen mit Leseschwäche seien schnell ausgegrenzt. „Barrierefreiheit war gestern“, spottet Stein. Zudem sei fraglich, ob das Gendern überhaupt etwas bringe. Die negativen Effekte der Verständnisschwierigkeiten seien demgegenüber definitiv real.

Fest macht Stein das am Gender-Pay-Gap-Ranking der europäischen Union. Hier belegt Deutschland den 27. Platz – von 28. „Soziale Probleme lassen sich nicht symbolisch lösen, das ist Augenwischerei. Die spitzenverdienenden männlichen Führungskräfte lehnen sich im Sessel zurück und lachen sich ins Fäustchen, wenn wir für das große I und das Gendersternchen kämpfen anstatt für Macht und Geld“, meint die Grafikdesignerin. Als gutes Beispiel könne hier auch die Türkei herhalten: In der türkischen Sprache gebe es gar kein grammatisches Geschlecht. In Sachen Gleichstellung sei die Türkei trotzdem kein Vorbild – sie habe „eben erst das internationale Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt verlassen“. „Unterm Strich fällt die Kosten-Nutzen-Rechnung für das Gendern nicht positiv aus“, resümiert Stein daher.

Anmerkungen der Redaktion

Dörte Stein ist eine selbstständige Diplom-Designerin. Sie hat Illustration an der Académie Royale des Beaux-Arts de Liège und Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Düsseldorf studiert. Seitdem arbeitet sie in dem Berufsfeld und hat sich mit ihrem Grafikbüro namens „muntumedia“ selbstständig gemacht. Ihr Artikel zum Thema „Gendern“ in der TAZ ist der erste in größeren Medien veröffentlichte Artikel.

Die TAGESZEITUNG (TAZ) ist eine überregionale deutsche Tageszeitung. Sie wurde 1978 als alternative, selbstverwaltete Zeitung – unter anderem vom Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele – gegründet. Die Zeitung hat sich besonders in ihrer Anfangszeit an Linke, Studierende, Grüne und die Hausbesetzer-Bewegung gerichtet. Erklärtes Ziel der TAZ ist es seither, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Sie gehört heute zu den zehn größten überregionalen Tageszeitungen in Deutschland, mit einer verkauften Auflage von rund 49.900 (4/2021). Das Goethe-Institut verortet die TAZ als „grün-linkes“ Blatt und betont besonders die oft sehr kritische Berichterstattung der Zeitung. Eurotopics sieht die TAZ als linkes Medium und stellt die gestaffelte Preisgestaltung und die Entscheidung gegen Online-Bezahlschranken als Besonderheiten der Zeitung heraus. Die TAZ wird genossenschaftlich herausgegeben, jährlich findet eine Generalversammlung statt, an der jedes der zuletzt (2021) rund 20.000 Mitglieder teilnehmen kann.

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„Geschlechtergerechte Sprache: Was bringt das Gender-Sternchen?“

Deutschlandfunk, 23.03.2022 - Anita Körner, Arndt Reuning

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Anita Körner, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Allgemeine Psychologie an der Universität Kassel, führt im DEUTSCHLANDFUNK-Interview mit Arndt Reuning die wissenschaftlichen Hintergründe des Genderns aus. Als Erstautorin hat Körner eine Studie zu dem Thema veröffentlicht, deren Ergebnisse sie darlegt: „Ergebnis unserer Studie war, dass Lesende bei der Gender-Stern-Form tatsächlich eher an Frauen als an Männer denken.“

Die mentale Repräsentation sei damit nicht „ganz ausgeglichen“ gewesen – fiel aber eher zugunsten von Frauen aus. Die Versuchspersonen in ihrer Studie haben jeweils zwei Sätze gelesen. Danach mussten sie entscheiden, ob der zweite Satz eine sinnvolle Fortsetzung des ersten Satzes sei. Beispiel eins: „Die Autoren waren schon am Flughafen. Man konnte beobachten, dass einige der Frauen erschöpft waren.“ Würde man die „Frauen“ im zweiten Satz durch „Männer“ ersetzen, so könnte man den zweiten Satz kognitiv schneller verarbeiten, erklärt Reuning.

Bei der Gender-Stern-Form sei das Ergebnis umgekehrt gewesen. Lese man also Beispiel zwei: „Die Autor*innen waren schon am Flughafen. Man konnte beobachten, dass einige der Frauen erschöpft waren“, so verarbeite man den zweiten Satz schneller, als wenn die „Frauen“ durch „Männer“ ersetzt würden. Diese Verzerrung sei allerdings kleiner gewesen als die Verzerrung, sollte man das generische Maskulinum verwenden (Beispiel eins).

Die „sicherste Lösung“, sollte man Männer und Frauen gleichermaßen meinen, sei daher die Paarform, beispielsweise: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Auch bei negativ besetzen Wörtern wie „Mörder“ oder „Terrorist“ sollte man auf die Paarform zurückgreifen, wenn man Frauen und Männer gleichermaßen meine.
 

    Anmerkungen der Redaktion

    Anita Körner ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Allgemeine Psychologie an der Universität Kassel. Sie hat an der Universität Würzburg in der Psychologie promoviert, war zunächst Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Sozialpsychologie in Würzburg und ist nach acht Jahren in Würzburg 2018 an die Universität Kassel gewechselt. Sie forscht zu Geschlechtsstereotypen, moralischen Dilemmata und der Wirkung von Sprache.

    Arndt Reuning ist Hörfunk- und Wissenschaftsjournalist und freier Redakteur beim DEUTSCHLANDFUNK. Dort verantwortet der promovierte Chemiker die täglichen Sendungen „Hintergrund“, „Wissenschaft im Brennpunkt“ und das Format „Forschung aktuell“. Seit 2010 engagiert er sich außerdem für die Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK), dem Berufsverband deutscher Wissenschaftsjournalist:innen.

    Der DEUTSCHLANFUNK ist 1962 als Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegründet worden. Er ist eines der drei bundesweiten Hörfunkprogramme des DEUTSCHLANDRADIOS und hat einen Wortanteil von 80 Prozent. Das Programm beschäftigt sich besonders tagsüber mit tagesaktuellen Geschehnissen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. In den Abendstunden liegt der programmatische Schwerpunkt auf Kulturthemen wie Musik, Hörspielen, Lesungen und entsprechenden Berichten. Der DEUTSCHLANDFUNK sendet klassisch linear, jedoch betreibt er auch eine umfangreiche Audiothek und diverse Podcasts, wo Inhalte auch nicht-linear konsumiert werden können. Laut der Mediaanalyse „ma Audio 2021“ hat der DEUTSCHLANDFUNK im Jahr 2020 täglich rund 2,2 Millionen Zuhörer:innen erreicht.

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    „Andere Sprachen, ähnliche Diskussionen“

    MDR, 14.01.2022 - Jenni Zylka

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    Die Perspektive in 30 Sekunden

    „Das generische Maskulinum als alleinige Bezeichnung von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtern ist nicht nur in Deutschland bedroht. Ähnliche Debatten toben auch in Frankreich, Polen, Russland und Japan“, erklärt Kolumnistin und Jury-Mitglied des Grimme-Preises Jenni Zylka. Einige Länder hebt die Journalistin heraus:

    • In Frankreich gebe es eine scharfe Debatte um die Verwendung sogenannter „Mediopunkte“. Diese könnten innerhalb eines Wortes verwendet werden, um auszudrücken, dass Männer und Frauen gemeint sind. Statt „deputés“ (ein männlicher Plural) könne man schreiben „deputé.e.s“. So könnten männliche und weibliche Pluralformen verbunden werden. Vom Bildungsministerium wurde diese Schreibweise allerdings verboten – Bildungswerke werfen ihm dafür Rückständigkeit vor.
    • In Polen lehnten vor allem die Kirche, die konservative Regierung und die regierungsnahen Medien das Gendern ab. Das Problem in Polen: „Das Geschlecht des Substantivs verändert nicht nur seine Endung, sondern unter anderem auch die Endungen der untergeordneten Adjektive und die Verbformen“, erläutert Zylka. Dennoch wird beispielsweise in regierungskritischen Zeitungen oder der liberalen Stadt Warschau in der Stadtverwaltung gegendert.
    • In Japan gebe es gar kein grammatikalisches Geschlecht. Diese Information werde durch Wortanfänge oder -endungen hinzugefügt. „Daraus auf eine grundsätzlich gleichberechtigte Gesellschaft zu schließen, wird allerdings schwierig: Die wenigen klar weiblichen Berufsbezeichnungen meinen meist traditionell von Frauen ausgeführte, karitative und schlecht bezahlte Tätigkeiten wie Krankenschwester oder Hebamme“, legt Zylka dar.
    • In Finnland und Schweden gilt: „Hen ist müde.“ Hier wird durch das geschlechtsneutrale Wort „hen“ gegendert. Statt zu sagen: „Sie/er ist müde“, kann man in Finnland oder Schweden einfach sagen: „Hen ist müde“. Interessant dabei: Das Wort „hen“ ist im schwedischen erst 2015 eingeführt worden und mittlerweile sehr geläufig. Es werde kaum noch diskutiert, so Zylka.
    • In englischsprachigen Ländern greife man immer öfter auf das „singuläre, altenglische ‚they‘ zurück. Die meisten Substantive wie „doctor“ oder „professor“ seien ohnehin geschlechtsneutral. Geschlechtsspezifische Merkmale würden schnell ausgetauscht – aus dem „fireman“ wird einfach der „firefighter“.   

    Anmerkungen der Redaktion

    Jenni Zylka ist Schriftstellerin, freie Journalistin und Moderatorin. Sie hat Linguistik, Kunstwissenschaft und Kommunikationswissenschaft studiert und absolvierte anschließend eine Ausbildung zur Tontechnikerin am SAE Berlin. Sie schreibt unter anderem als Musik- und Filmkritikerin für die TAZ, den TAGESSPIEGEL und DER SPIEGEL. Außerdem moderiert sie eine Literatursendung im WDR-Radio und arbeitet als Moderatorin und Spielfilm-Vorsichterin für die Berlinale. Sie verfasst seit 2006 Drehbücher und ist Mitglied im Auswahlgremium des Grimme-Preises. 2003 ist ihr erster Roman „1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit tun kann“ erschienen. Seit 2013 unterrichtet sie an der Akademie für Mode und Design in Berlin angehende Modejournalist:innen in kreativem Schreiben und Journalismus.

    Der MITTELDEUTSCHE RUNDFUNK (MDR) ist die Landesrundfunkanstalt für das Land Sachsen-Anhalt sowie für die Freistaaten Sachsen und Thüringen. 1991 wurde der MDR gegründet und startete 1993 auch im Fernsehen. Der MDR ist Teil der öffentlich-rechtlichen Sender und Mitglied der ARD. Er wird hauptsächlich über die Rundfunkgebühren finanziert. Durch den Rundfunkstaatsvertrag ist die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit festgeschrieben. Zu den Radiosendern gehören MDR Sachsen, MDR Sachsen-Anhalt, MDR Thüringen, MDR Jump, Sputnik, MDR Tweens, MDR Kultur, MDR Aktuell und MDR Klassik. Seine Auslandskorrespondent:innen hat der MDR in Brüssel, Washington, Paris, Zürich, Prag, Neu-Delhi und Shanghai. Intendantin ist seit 2011 die Juristin Karola Wille. Der MDR betreibt außerdem das Portal MDR360G, das einen umfassenden Blick über die Medienwelt ermöglichen soll, indem Analysen, Texte und Videos zum Thema Medien und Funktionsweise der Medien auf MDR360G veröffentlicht werden.