Trotz Omikron: Sollten die Schulen in NRW um jeden Preis offenbleiben?

28.01.2022 - Themenbereiche: Bildung, Jugend, Nordrhein-Westfalen, Politik
Junge mit Mund-Nasen-Schutz vor leerem Klassenzimmer mit hochgestellten Stühlen

Kurzfassung

Testen, Masken, Abstand – so sieht der Schulalltag von rund 2,5 Millionen Kindern und Jugendlichen in NRW heute aus. Die hochansteckende Virusvariante Omikron beeindruckt das wenig: Laut Angaben des KÖLNER STADTANZEIGERS waren im einwohnerstärksten Bundesland zum letzten Stichtag am 19. Januar insgesamt 2,1 Prozent aller Schüler:innen mit COVID-19 infiziert – in der Vorwoche waren es knapp 1 Prozent. In Berlin hat der Senat aufgrund des hohen Infektionsgeschehens kurzerhand die Präsenzpflicht an Schulen ausgesetzt. Für NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ist das derzeit keine Option.

„Ich werde alles dafür tun, dass die Kinder in Präsenz verbleiben“

Für sie bleibt der gemeinsame Unterricht vor Ort weiterhin „das oberste Gebot“. Im Schulausschuss des Düsseldorfer Landtags bekräftigte sie vergangene Woche, sie werde „alles dafür tun, dass die Kinder in Präsenz verbleiben“. Doch mit ihrer Entschlossenheit stößt die Schulministerin auf ein geteiltes Echo.

Die Opposition wirft der Landesregierung ein miserables Krisenmanagement vor. Laut Jochen Ott, dem Schulpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion NRW, gebe es „keinen Plan B, um die Schulen auch bei steigenden Infektionszahlen offen zu halten“. Zu spüren war das Anfang der Woche in Dortmund: Die „unklare Infektionslage“ zwang die Stadt, mehrere Schulen zu schließen. Lehrkräfteverbände wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW fordern, den Distanzunterricht nicht zu tabuisieren. Und auch manche Schüler:innen sehen sich dem Virus im Klassenzimmer schutzlos ausgeliefert. So auch die 13-jährige vorerkrankte Yasmin aus Hagen: Sie machte vergangene Woche Schlagzeilen, weil sie sich weigerte, am Unterricht im Klassenraum teilzunehmen – und stattdessen auf den Schulhof umzog.

Andererseits warnen Psycholog:innen einhellig vor den gesundheitlichen Folgen von Schulschließungen. Zu ihnen zählt auch Silvia Schneider, Leiterin des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit an der Ruhr-Uni Bochum. Ein Vortrag, den die Professorin Anfang Januar auf einer Klausur der NRW-CDU hielt, bestärkte auch den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), sich mit allen Kräften für offene Schulen einzusetzen: Der psychische Schaden, den die Pandemie nach Schneiders Schilderungen bei einigen Kindern und Jugendlichen anrichte, reiche „bis hin zu einem Anstieg von Suizid-Gedanken“, so Wüst. Umso wichtiger sei es, „auch in den nächsten Wochen klare Prioritäten zu setzen, die Schulen, die Kindertagesstätten aufzuhalten“.

Trägt diese Strategie dem Infektionsgeschehen noch Rechnung? Sollten die Schulen in NRW um jeden Preis offenbleiben?

Acht Perspektiven

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„Unterricht in der Schule ist kritische Infrastruktur!“

WDR, 05.01.2022 - Christoph Ullrich

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Der Politikjournalist Christoph Ullrich hält die Präsenzpflicht an den Schulen in NRW für „die einzig richtige Entscheidung“. Denn es sei keineswegs so, dass offene Schulen die Pandemie weiter befeuern. Eher im Gegenteil: Aus Ullrichs Sicht leisten die Schulen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung heftiger COVID-19-Wellen. „Zumindest in NRW“, lobt er in seinem Kommentar für den WESTDEUTSCHEN RUNDFUNK (WDR).

Durch die strengen Testpflichten, die für Schüler:innen in NRW gelten, seien positive Fälle leicht aufzudecken. „Damit hat man auch zwangsläufig das ganze Umfeld des Kindes im Blick, kann Infektionsketten unterbrechen“, argumentiert Ullrich. Mit ihren engmaschigen Kontrollen habe die Landesregierung in der Pandemiebekämpfung eine Vorreiterrolle eingekommen: „Dieser Effekt ist inzwischen von mehreren Studien belegt und NRW wird dafür politisch gelobt“, unterstreicht der Autor. Auf konkrete Studien verweist Ullrich nicht.

Gleichzeitig plädiert Ullrich an die Landespolitik, die Schulen als „systemrelevant“ einzustufen. Überlegungen dazu gebe es bereits: Nach einem Vorstoß der Oppositions-SPD Anfang Januar wolle auch Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sich auf Bundesebene dafür starkmachen, Schulen mit systemrelevanten Branchen wie Polizei oder Feuerwehr gleichzusetzen. „Gut so!“, findet Ullrich. „Dann wäre es nämlich nicht mehr so leicht, dauernd bei den Jüngsten Einschränkungen zu beschließen.“ 

Anmerkungen der Redaktion

Christoph Ullrich ist Redakteur beim WDR. Dort berichtet er hauptsächlich über Landespolitik in Nordrhein-Westfalen. Zunächst ist er als landespolitischer Reporter für den WDR aktiv gewesen, später ist er zur Nachrichtenredaktion gewechselt. Seit 2015 berichtet er wieder über Landespolitik und moderiert mit dem Podcast „Rheinblick“, den laut WDR ersten rein landespolitischen Podcast in Deutschland.

Der WESTDEUTSCHE RUNDFUNK (WDR) ist die größte der neun Landesrundfunkanstalten der ARD. Er entstand 1956, als sich der NWDR in den NDR und den WDR aufteilte. Die Sendeanstalt hat sechs Radioprogramme und einen Fernsehsender, zu dessen bekanntesten Programmen unter anderem das Politmagazin „Monitor“, die „Sportschau“ oder das Kinderangebot „Die Sendung mit der Maus“ gehören. Laut eigenen Angaben ist der Sender nach Anzahl der Beschäftigten das zweitgrößte Medienunternehmen Europas hinter der BBC. Laut der "Media-Analyse 2021" erreicht der Fernsehsender des WDR in Deutschland täglich rund 8 Millionen Zuschauer:innen, der Radiosender erreicht rund 11 Millionen Zuhörer:innen. Der Webauftritt des WDR hatte im Dezember 2021 laut Similarweb rund 17 Millionen Besuche zu verzeichnen.

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„Präsenz für alle muss weitergehen“

Tageszeitung (TAZ), 17.01.2022 - Anna Klöpper

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Präsenzunterricht in voller Klassenstärke muss weiter für alle stattfinden“, appelliert die Redakteurin Anna Klöpper. Die Zeiten von Homeschooling und Wechselunterricht seien vorbei. Denn im Vergleich zum letzten Jahr habe die Pandemie sich verändert. „Also müssen sich auch die politischen Maßnahmen verändern“, begründet die Kommentatorin ihre Auffassung in der linken TAGESZEITUNG (TAZ).  

Ihre Forderung macht Klöpper an zwei Argumenten fest. Erstens lasse die Impf-Kampagne die „Rekord-Inzidenzen“ in einem neuen Licht erscheinen als noch im Jahr 2021: „Damals spielte eine Impfquote noch keine Rolle“, erinnert sie. Zweitens sei das Virus inzwischen weiter mutiert: „[N]ach allem, was man bisher weiß, scheint Omikron in Verbindung mit einer hohen Impfquote weniger schwere und schwerste Verläufe zu verursachen“, so Klöpper.

Auch der Charité-Virologe Christian Drosten habe inzwischen in einem TAGESSPIEGEL-Interview erklärt, dass Deutschland sich am Übergang von einer Pandemie in eine Endemie befinde. Nach Klöppers Lesart gilt es folglich, einen neuen Umgang mit dem Virus zu finden. Dazu gehöre auch, „dass man wieder möglichst viel normales Leben zulässt“ – nicht zuletzt in den Schulen, meint die Autorin.

Anmerkungen der Redaktion

Anna Klöpper leitet seit 2019 die Berlin-Redaktion der in Berlin ansässigen TAZ. Die Berlin-Redaktion zählt zu den großen Ressorts der TAZ. 2011 hat Klöpper zunächst als Redakteurin bei der TAZ angefangen und dort für das Medien- und Gesellschaftsressort sowie das Inlandsressort geschrieben. Einen Schwerpunkt ihrer journalistischen Arbeit nehmen bildungs- und familienpolitische Themen ein. Zur TAZ kam sie während ihres Anglistik-Studiums als Praktikantin.

Die TAGESZEITUNG (TAZ) ist eine überregionale deutsche Tageszeitung. Sie wurde 1978 als alternative, selbstverwaltete Zeitung – unter anderem vom Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele – gegründet. Die Zeitung hat sich besonders in ihrer Anfangszeit an Linke, Studierende, Grüne und die Hausbesetzer-Bewegung gerichtet. Erklärtes Ziel der TAZ ist es seither, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Sie gehört heute zu den zehn größten überregionalen Tageszeitungen in Deutschland, mit einer verkauften Auflage von rund 49.900 (4/2021). Das Goethe-Institut verortet die TAZ als „grün-linkes“ Blatt und betont besonders die oft sehr kritische Berichterstattung der Zeitung. Eurotopics sieht die TAZ als linkes Medium und stellt die gestaffelte Preisgestaltung und die Entscheidung gegen Online-Bezahlschranken als Besonderheiten der Zeitung heraus. Die TAZ wird genossenschaftlich herausgegeben, jährlich findet eine Generalversammlung statt, an der jedes der zuletzt (2021) rund 20.000 Mitglieder teilnehmen kann.

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„Corona: Den Lehrkräfteverbänden sind die Kinder egal“

Der Freitag, 21.01.2022 - Thomas Gesterkamp

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Die Rufe nach erneuten Schulschließungen ringen dem Journalisten Thomas Gesterkamp nur ein Kopfschütteln ab. Vor allem die Forderungen pädagogischer Interessenvertretungen sind dem Autor ein Dorn im Auge. Zwar gehe es diesen vordergründig um den Schutz der Kinder. „Tatsächlich aber schüren Lehrerverbände wie die GEW Panik und reden Schulschließungen das Wort“, kommentiert der Autor in der Wochenzeitung DER FREITAG.

Das Wohl der Kinder gerate angesichts dieser „Lobby-Politik“ zusehends ins Abseits, meint Gesterkamp. Wenn etwa der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, mit seinen „dunklen Prognosen“ in die Öffentlichkeit trete – und dabei betone, dass Schulen bei Kontaktbeschränkungen „nicht außen vor bleiben“ dürfen – bediene er damit ausschließlich die eigene Klientel. Denn Schulschließungen seien „für viele junge Menschen wirklich gefährlich“. Dass auch die „progressiv orientierte“ Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sich zu einem „Teil des Panik-Orchesters“ mache, werde dem Anspruch einer selbsternannten „Bildungsgewerkschaft“ nicht gerecht. So habe die GEW in Nordrhein-Westfalen zuletzt auch die Wiederöffnung der Förderschulen abgelehnt: „Ausgerechnet Kinder mit Handicap sollten weiter zu Hause bleiben, mit der diskriminierenden Begründung, sie könnten die Abstandsregeln nicht einhalten“, moniert Gesterkamp.
 
Wenn es erneut zu Schulschließungen komme, werde die Kluft zwischen benachteiligten und privilegierten Familien noch größer. Diese sozialen und psychologischen Folgen im Blick zu behalten, hält Gesterkamp für die Aufgabe der pädagogischen Interessenvertretungen. Zumal inzwischen über 90 Prozent der Lehrenden geimpft seien, die meisten schon geboostert. „Daher ist überfällig, den Blick wieder vorrangig auf die Schülerinnen und Schüler zu richten, denn sie gehören zu den Hauptleidtragenden der Pandemie“, mahnt er.

Anmerkungen der Redaktion

Thomas Gesterkamp ist ein deutscher Sozial- und Politikwissenschaftler und als freier Journalist tätig. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Geschlechterpolitik, Männerrollen und Antifeminismus in Bezug auf die sich verändernde Arbeitswelt und Gesellschaft. Gesterkamp hat Soziologie, Pädagogik und Publizistik in Hamburg und Münster studiert. Nach einer zweijährigen Anstellung als freier Redakteur beim STADTBLATT in Münster hat er eine Karriere als freier Journalist begonnen. Während seiner Arbeit als freier Journalist promovierte er 2004 in Politikwissenschaften mit einer Arbeit zum Thema „Männliche Arbeits- und Lebensstile in der Informationsgesellschaft“. Seither hat Gesterkamp mehrere Vorträge zum Thema Männerrollen, Gender und Feminismus gehalten. Seine Position zum Thema Männlichkeit und Feminismus fasst Gesterkamp auf einem Vortrag in Graz folgendermaßen zusammen: „Der Kampf für Gleichstellung und gleichberechtigte politische Strukturen ist ein Kampf gegen hegemoniale Strukturen von Männlichkeit, aber nicht gegen ‚die Männer‘. Und ‚der Feminismus‘ ist bestimmt nicht an allem schuld. Nur gemeinsam und im Dialog mit Frauen können wir etwas verändern.“

DER FREITAG ist eine überregionale deutsche Wochenzeitung, die nach der Wende aus dem Ost-Berliner Sonntag, der DKP-nahen „Deutschen Volkszeitung“ und der Monatszeitschrift „Die Tat“ hervorgegangen ist. Ziel der Gründer war es damals, mit ihrer Zeitung das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten zu begleiten und ein Forum für die Ost-West-Debatte zu bieten. Seit 2008 gehört DER FREITAG dem SPIEGEL-Erben Jakob Augstein. EUROTOPICS ordnet die Wochenzeitung in ihrer Grundhaltung als linksliberal ein, auch DER FREITAG wirbt selbst damit, seine „Leserschaft mit seinen Qualitäten als linksliberale Wochenzeitung“ zu begeistern. Herausgeber Augstein, sowie TAGESSPIEGEL und TAZ sprechen hingegen von einer dezidiert „linken Zeitung“. Kontrovers wurde innerhalb der Redaktion und Leserschaft die Entscheidung diskutiert, 2017 den ehemaligen CDU-Abgeordneten und umstrittenen Publizisten Jürgen Todenhöfer zum Herausgeber der Zeitung zu ernennen, was dazu geführt hat, dass er die Zeitung bereits 2018 wieder verlassen hat. DER FREITAG hatte im 4. Quartal 2021 eine verkaufte Auflage von rund 27.000 Exemplaren. Die Website des FREITAGS hatte laut Similarweb im Dezember 2021 rund 714.000 Besuche zu verzeichnen.

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„Kein Präsenzunterricht um jeden Preis“

Deutschlandfunk Kultur, 05.01.2022 - Maike Finnern

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Präsenzunterricht um jeden Preis? Diesem Mantra kann Maike Finnern, die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), nichts abgewinnen. Denn: Bis heute sei es weder der Kultusministerkonferenz (KMK) noch den Bildungsministerien gelungen, einen sicheren Schulbetrieb zu gewährleisten, macht sie im Interview mit DEUTSCHLANDFUNK KULTUR deutlich.

Es gebe etwa Regionen, in denen Beschäftigte „noch nicht einmal jeden Tag eine FFP2-Maske gestellt bekommen“, argumentiert sie. Auch sei problematisch, dass es in Klassenräumen keine Luftfiltergeräte gibt und „dass die Boosterkampagne zum Teil stockt, weil Beschäftigte keine Boosterimpfungen bekommen“.

Finnern sieht darin ein großes Versäumnis. Sie findet, die Politik müsse sich „die Frage gefallen lassen“, ob wirklich alles dafür getan wurde, einen durchgängigen Präsenzunterricht zu ermöglichen. „Und da ist meine Antwort dann auch nein“, so Finnern. Das Versprechen, die Schulen offenzuhalten, sei unter diesen Umständen nicht einzulösen. Vielmehr stehe zu befürchten, dass es eine „nennenswerte Anzahl“ von Schulen geben werde, die den Präsenzunterricht angesichts der steigenden Inzidenzen nicht mehr anbieten können. „Das wird so kommen“, warnt Finnern. „Deswegen ist es falsch zu sagen: Präsenz um jeden Preis.“

Anmerkungen der Redaktion

Maike Finnern ist seit 2021 die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die GEW setzt sich für eine Chancengleichheit und soziale Sicherheit im Schulsystem ein. Zudem favorisiert die GEW ein inklusives Schulsystem und eine gleiche Bezahlung von Lehrer:innen aller Lehramtstypen. Seit 2011 ist Finnern Mitglied des Vorsitzes des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der GEW. Seit 2013 ist sie zudem Mitglied im Hauptvorstand der GEW, dem höchsten beschlussfassenden Gremium zwischen den Gewerkschaftstagungen. Sie hat als Lehrerin für Deutsch und Mathematik gearbeitet, zuletzt als zweite Konrektorin einer Realschule in NRW.

DEUTSCHLANDFUNK KULTUR ist neben dem DEUTSCHLANDFUNK und DEUTSCHLANDFUNK NOVA eines der drei Programme des öffentlich-rechtlichen DEUTSCHLANDRADIOS. Im Gegensatz zu den beiden anderen Programmen liegt der Redaktionssitz von DEUTSCHLANDFUNK KULTUR in Berlin. Der Sender beschreibt sich selbst als „das Feuilleton im Radio“. Er hat es sich selbst zur Aufgabe gemacht, „die Kulturalisierung der Politik und die Politisierung der Kultur“ voranzutreiben. Laut der Mediaanalyse „ma Audio 2021“ schalten täglich rund 600.000 Menschen den Kultursender des DEUTSCHLANDRADIOS ein.

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„Die Präsenzpflicht an Schulen muss fallen – und zwar bundesweit“

Der Tagesspiegel, 28.12.2021 - Karin Christmann

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Die Redakteurin Karin Christmann findet, dass eine Präsenzpflicht den Sorgen der Eltern nicht gerecht wird. Denn diese seien gezwungen, ihre Kinder einem Risiko auszusetzen. In ihrem Kommentar in der Tageszeitung DER TAGESSPIEGEL fordert sie, den Familien zumindest ein Wahlrecht einzuräumen: „Die bundesweite Aufhebung der Präsenzpflicht wäre nichts anderes, als den Eltern ein Notwehrrecht zuzugestehen.“

Immerhin gebe es Eltern, die das Virus nicht für ungefährlich für ihr Kind halten. „Würde ihren Sorgen und Bedenken nur ansatzweise so viel Verständnis und politisches Wohlwollen entgegengebracht wie das lange Zeit bei impfunwilligen Altenpflegern oder testunwilligen Bahnfahrerinnen der Fall war, die Präsenzpflicht wäre morgen bundesweit aufgehoben“, überspitzt die Autorin. Sie selbst hält diesen Schritt für längst überfällig: Denn mit Blick auf das Infektionsgeschehen sei es „mit einem simplen ‚Die Schulen müssen offenbleiben‘“ nicht getan. Angesichts der schnellen Verbreitung der Omikron-Variante hält Christmann die Präsenzpflicht für „politisch nicht mehr zu verantworten“. 

Dass jede Landesregierung in der Corona-Schulpolitik „nach eigenem Gusto“ entscheidet, müsse sich dringend ändern. „Im Sinne der Kinder ist das gewiss nicht“, urteilt Christmann. Denn es dürfe nicht vom Wohnort abhängen, welchen Risiken Schüler:innen ausgesetzt werden. Bildungschancen seien gleichzeitig auch „Lebenschancen“. Christmann mahnt: „Im Fall der Corona-Schulpolitik ist die Sache mit den Lebenschancen aber plötzlich erschreckend wörtlich zu nehmen.“

Anmerkungen der Redaktion

Karin Christmann ist eine deutsche Journalistin und verantwortliche Redakteurin beim TAGESSPIEGEL im Meinungsressort. Sie berichtet häufig über Themen rund um die Medizin und greift immer wieder gesellschaftspolitische Debatten auf. Zuvor ist sie stellvertretende Chefin des Ressorts Berlin/Brandenburg. gewesen Vor ihrer Zeit beim TAGESSPIEGEL hat sie unter anderem auch für die TAZ geschrieben.

DER TAGESSPIEGEL ist eine 1945 gegründete Tageszeitung aus Berlin. Er hat mit 110.000 Exemplaren (4/2021) die höchste Auflage unter den Berliner Abonnementzeitungen und wird im Unterschied zur BERLINER ZEITUNG traditionell vor allem in den westlichen Bezirken der Stadt gelesen, da die Mauer die Verbreitung der Zeitung auf Westberlin beschränkte. Seit 2014 erhält der TAGESSPIEGEL besondere Aufmerksamkeit durch den Checkpoint Newsletter, der täglich aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft berichtet. EUROTOPICS beschreibt die Blattlinie der Zeitung als liberal. Der TAGESSPIEGEL wurde lange Zeit den regionalen Zeitungen zugerechnet, verfolgt seit einigen Jahren jedoch verstärkt eine überregionale Ausrichtung. Die Printauflage bleibt jedoch stark regional dominiert.

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„"Das Nicht-Handeln der Politik muss Konsequenzen haben": Schülervertreter Anjo Genow über den Kampf für mehr Corona-Sicherheit an Schulen – zur Not per Streik“

Watson, 19.01.2022 - Anjo Genow, Julia Dombrowsky

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Der Berliner Schüler:innenvertreter Anjo Genow ist ein Verfechter des Distanzunterrichts. Dass Schüler:innen wie die 13-jährige vorerkrankte Yasmin aus Hagen „immer noch in unsichere Schulen gezwungen werden“, komme einem „Nicht-Handeln der Politik“ gleich. In Zeiten der Pandemie müsse die Präsenzpflicht von einer Bildungspflicht abgelöst werden, erzählt der Schulaktivist der Journalistin Julia Dombrowsky vom Nachrichtenportal WATSON.DE. Dazu müsse es Schülern und Schülerinnen bundesweit freigestellt werden, ob sie am Unterricht vor Ort oder in der Schule teilnehmen möchten.

Gleichzeitig hält Genow es für wichtig, dass Schulen, die diesen Distanzunterricht nicht leisten können, stärker politisch unterstützt werden. So gebe es etwa Konzepte, Studierende oder Sozialarbeitende an Schulen zu bringen – auch, um den digitalen Unterricht zu erleichtern. „Diese Möglichkeiten sind da. Man muss sie nur nutzen und fördern“, betont Genow.

Stattdessen propagiere die Politik, dass Schulen sicher sind. Doch das Infektionsgeschehen spreche eine andere Sprache. „Dieser Widerspruch ist unheimlich frustrierend und belastend“, so der Schüler:innenvertreter. Dabei gebe es längst Schutzkonzepte: So habe etwa das Robert Koch-Institut (RKI) gemeinsam mit diversen Fachgesellschaften eine Leitlinie  zum Schutz von Schülerinnen und Schülern ausgearbeitet. „Doch diese Konzepte werden nicht umgesetzt“, prangert Genow an.

Anmerkungen der Redaktion

Anjo Genow ist ein deutscher Schüler aus Berlin. Er ist Schüler:innensprecher am Berliner Otto-Nagel-Gymnasium. Das Otto-Nagel-Gymnasium schmückt sich damit, eine stark digitalisierte Schule mit „Laptop-Klassen“ zu sein. Genow ist außerdem Mitglied der Partei Volt, die sich für einen linksliberalen und paneuropäischen Ansatz im Umgang mit aktuellen Problemen wie der Klimakrise oder der ökonomischen Ungleichheit innerhalb der Europäischen Union einsetzt.

Julia Dombrowsky ist eine deutsche Journalistin. Sie arbeitet bei WATSON.DE. Dort führt sie hauptsächlich Interviews und schreibt für die Kategorie „Watson-Story“. Im Format „Watson-Story“ werden meist gesellschaftsrelevante Geschichten geschildert – wie beispielsweise diejenigen von Pfleger:innen auf deutschen Intensivstationen – oder die Lebensgeschichten ungewöhnlicher Personen erzählt.

WATSON.DE ist der deutsche Ableger des gleichnamigen Schweizer Nachrichtenportals, das junge Menschen erreichen will, „die mit Smartphones statt Zeitungen aufgewachsen sind.“ Der Fokus liegt dabei auf Nachrichten, Unterhaltung und Debatten. In der politischen bzw. gesellschaftspolitischen Berichterstattung nehmen die Autor:innen von WATSON oft linksliberale Positionen ein. Das Portal hat eine klare Haltung gegen die europäische Flüchtlingspolitik, engagiert sich gegen die AfD und verwendet gendergerechte Sprache. Die Schweizer Ausgabe des Portals (WATSON.CH) existiert bereits seit 2014 und gehört dem Zürcher Medienunternehmen FixxPunkt AG. Die deutsche Lizenzausgabe von WATSON erscheint seit 2018 und über Ströer Media, die unter anderem auch T-ONLINE.DE und GIGA.DE herausgibt.

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„Schulleiterin in Hagen: „Sozusagen vorderste Corona-Front““

Westfalenpost, 11.01.2022 - Corinna Osman, Hubertus Heuel

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Corinna Osman aus Hagen leitet die Realschule, an der sich die vorerkrankte 13-jährige Yasmin aus Angst vor einer Infizierung weigerte, ihr Klassenzimmer zu betreten. Im Gespräch mit Redakteur Hubertus Heuel von der Tageszeitung WESTFALENPOST schildert die Pädagogin, warum die Situation in ihren Augen einem Dilemma gleicht: „Wir können die vorgeschriebenen Hygieneregeln an unserer Schule gar nicht einhalten.

Es gebe etwa viele Schüler:innen, die ihre Maske nicht richtig tragen. „Ich kann die Verweise und Ermahnungen, die ich täglich ausspreche, nicht mehr zählen“, bekennt Osman. Wer mehrmals auffällt, werde zwar nach Hause geschickt. Aber es sei „einfach unmöglich, über alles und jeden zu wachen und jede Zuwiderhandlung zu sanktionieren“. Dazu seien viele Kinder noch zu jung, um die Tragweite des Infektionsgeschehens abzuschätzen.

Was Osman beruhigt, sind die regelmäßigen Tests. Doch es gebe immer noch Familien, die damit nicht einverstanden seien: „Manche Eltern laufen Sturm, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder getestet werden“, so die Schulleiterin. Und auch mit den Masken sei nicht jedes Elternhaus einverstanden: „Mir wurden auch schon obskure Atteste vorgelegt, die bescheinigen sollten, dass ein Kind die Maske nicht verträgt.“

Unter diesen Umständen könne sie ein Kind wie Yasmin nicht zwingen, die Schule zu betreten, wenn es Angst vor einer Infektion hat. „Und ich kann auch nicht garantieren, dass sie sich nicht ansteckt“, räumt sie ein. Zwar sei es für sie unbegreiflich, dass es Menschen gebe, die es in Kauf nehmen, andere zu gefährden. Aber in der Schule komme das ganze Meinungsspektrum zusammen. „Wir leben hier (…) sozusagen in vorderster Corona-Front.

Anmerkungen der Redaktion

Corinna Osman ist die Schulleiterin der Heinrich-Heine Realschule in Hagen. Bekannt wurde Osman 2022, als der Fall einer Schülerin ihres Gymnasiums, die nicht mehr am Unterricht im Klassenzimmer teilnehmen wollte, von vielen Medien aufgenommen worden ist. Die Schülerin und Asthma-Patientin habe sich bei der geringen Impfquote und Nichteinhaltung von Hygiene-Maßnahmen mit ihrer Erkrankung im Klassenzimmer nicht mehr sicher gefühlt. Mittlerweile nimmt die Schülerin nicht mehr vom Pausenhof aus am Unterricht teil, sondern von einem kleinen Büro aus, in dem sie allein arbeiten kann. 

Hubertus Heuel ist Mitglied der Hagener Redaktion der WESTFALENPOST. Außerdem schreibt er für die FUNKE-Medien WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG (WAZ), DER WESTEN, die WESTFALENPOST und die NEUE RUHR ZEITUNG. Meist fokussiert sich seine Berichterstattung auf den Raum Hagen.

Die WESTFALENPOST ist eine südwestfälische regionale Tageszeitung, die von einer Zentralredaktion in Hagen bespielt wird. Herausgegeben wird die Zeitung von der Westfalenpost GmbH & Co Verlags-KG, die der Funke Mediengruppe gehört. Die Funke-Mediengruppe ist ein Medienkonzern mit Sitz in Essen, der verschiedene Zeitungen und Zeitschriften herausgibt, größtenteils im Ruhrgebiet. Chefredakteur der WESTFALENPOST ist Jost Lübben, der zugleich auch Chefredakteur der WESTFÄLISCHEN RUNDSCHAU ist. Lübben ist außerdem Teil der Jury des Deutschen Journalistenpreises. Die Auflage der WESTFALENPOST wird nur gemeinsam mit anderen Publikationen der Funke-Mediengruppe wie beispielsweise der WAZ oder der NEUEN RUHR ZEITUNG veröffentlicht. Die verkaufte Auflage der Funke-Publikationen lag im 4. Quartal 2021 bei rund 410.000 Exemplaren.

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„Schulen bleiben offen – diese Strategien fahren andere Länder“

Die Welt, 16.01.2022 - Redaktion

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Auch im Ausland macht die Omikron-Welle nicht vor den Schulen halt. Die Redaktion der Tageszeitung DIE WELT hat recherchiert, was derzeit in anderen Ländern für Schulen gilt.

  • Trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehreren Tausend Fällen seien die Schulen in Dänemark offen. Schüler:innen sollen sich zweimal die Woche testen. Von Masken während des Unterrichts wird abgesehen. Im Fall eines positiven Tests müssen nur Haushaltsangehörige in Quarantäne. „Seit November empfiehlt die dänische Regierung die Kinderimpfung ab fünf Jahren“, stellt die Redaktion fest.
  • Auch in Italien setze Ministerpräsident Mario Draghi alles daran, die Schulen offenzuhalten – etwa mit einer Impfpflicht für Lehrer:innen und Schulangestellte. „Außerdem sollen so viele Schüler wie möglich geimpft werden“, heißt es im WELT-Überblick. Dazu werden kostenfreie Schnelltests angeboten. Für Lehrpersonal gilt eine FFP2-Maskenpflicht, Schüler tragen chirurgische Masken.
  • US-Präsident Joe Biden verfolge dasselbe Ziel: Er will Fernunterricht vermeiden. Da das Land derzeit einen Höchststand an Hospitalisierungen verzeichnet, werden Millionen kostenloser Tests an Schulen verteilt. In Chicago hatten Lehrkräftegewerkschaften eine Aussetzung des Präsenzunterrichts durchgesetzt, doch auch dort hat die Schule wieder begonnen. Die Gesundheitsbehörde rät zur Impfung von Kindern.
  • „Die Franzosen haben bereits nach dem ersten Lockdown die verheerenden psychosozialen Folgen bei Kindern und Jugendlichen erkannt“, so die Redaktion. Die Schulen sollen daher offenbleiben. Dennoch führte das Infektionsgeschehen zuletzt immer wieder zu Kurswechseln in der Schulpolitik: Landesweite Streiks waren die Folge. Derzeit gilt ein Stufenplan, der Regelungen an Fallzahlen ausrichtet. Alle ab sechs Jahren müssen eine Maske tragen.
  • Großbritannien setze auf das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen. Eine Testpflicht für Schulkinder gibt es nicht. Dennoch müssen Schulen eine Station einrichten, an der Schüler:innen sich selbst testen können. Ohne Symptome können Kinder, in deren Haushalt jemand erkrankt ist, am Unterricht teilnehmen. Infizierte dürfen die Quarantäne nach zwei negativen Tests am sechsten Tag beenden.
  • Auch in Polen seien Schulen der letzte Ort, an dem man Einschränkungen einführen wolle. „Sollte es aber vermehrt zu Erkrankungen kommen, sollen einzelne Klassen ‚hybrid‘ unterrichtet werden, also in der Schule und online“, schreibt die Redaktion. Um den Präsenzunterricht so lange wie möglich sicherzustellen, müssen Schüler:innen Abstand halten und Maske tragen. Zusätzlich ist es möglich, sich in den Schulen impfen zu lassen.

Anmerkungen der Redaktion

DIE WELT ist eine überregionale Tageszeitung mit Sitz in Berlin, die zum Axel Springer Konzern gehört. Sie wurde 1946 gegründet und erschien zuletzt in einer verkauften Auflage von knapp 81.000 Exemplaren (4/2021). Anfang 2010 lag diese noch bei über 250.000. Chef-Redakteurin der WELT ist seit 2019 Dagmar Rosenfeld. EUROTOPICS bezeichnet die WELT als konservativ. In ökonomischen Fragen positioniert sich die Zeitung meist wirtschaftsliberal. Das Goethe-Institut urteilt, die WELT ziele in ihrer Printausgabe auf „mittelständische Unternehmer und Selbstständige, die konservative Werte schätzen“. Auch WELT-Autor:innen bekennen sich zu den Leitlinien des Axel-Springer-Verlages, die unter anderem ein Eintreten für „die freie und soziale Marktwirtschaft“ sowie Solidarität mit den USA und Israel fordern.