Rufe nach Ausweitung des Entlastungspakets: Sind die Forderungen nach einer Gaspreisbremse berechtigt?

16.09.2022 - Themenbereiche: Nordrhein-Westfalen, Politik, Wirtschaft
Gelbes Metallrohr mit Gashahn

Kurzfassung

Ein „präzises und maßgeschneidertes“ drittes Entlastungspaket sollte es laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werden. Doch nach dem Lüften der Details tönt Kritik auch aus den eigenen Reihen: Die SPD-Fraktion in NRW vermisst in dem 65 Milliarden Euro schweren Hilfspaket eine „Gaspreisbremse“. In ihrem Beschlusspapier fordert die NRW-SPD die Ampel-Regierung zu schnellen Taten auf, „um Unternehmen und Privathaushalte vor Zahlungsschwierigkeiten zu schützen“. Eine Gaspreisbremse, so die Idee, würde die stark steigenden Gaspreise bis zu einem gewissen Grundbedarf staatlich deckeln; sparsame Haushalte könnten ihr Gas so zu deutlich niedrigeren Preisen beziehen.

Gaskrise trifft NRW besonders hart

Unterdessen trifft die Gaskrise NRW besonders hart: Laut NRW-Wohnkostenbericht 2021 werden 66,4 Prozent aller Wohnungen in Nordrhein-Westfalen mit Erdgas beheizt – 14,3 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Daneben beherbergt das einwohnerstärkste Bundesland einen Großteil der deutschen energieintensiven Industrie: Etwa zur Stahl-, Glas- oder Papierherstellung werden in NRW rund um die Uhr überdurchschnittlich große Mengen an Erdgas verbrannt. Entsprechend besorgt zeigt sich angesichts der explodierenden Gaspreise nun auch der NRW-Städtetag. In einer jüngsten Pressemitteilung stimmt dieser in die Rufe nach einer Gaspreisbremse ein: „[S]ie würde nachhaltig die Preise senken und damit auch die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen und auch der Städte mindern“, so die Vertreter:innen der Städte.

Doch während die Strompreisbremse mit dem dritten Entlastungspaket als beschlossen gilt, gibt sich die Regierung beim Gas noch undurchsichtig: Zwar kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anstrengungen an, um auch die Gaspreise zu senken. Gleichzeitig betonte er zuletzt im Bundestag, es werde nicht auf Dauer möglich sein, „gegen die hohen Preise anzusubventionieren“.

Weist das dritte Entlastungspaket in Sachen Gas also tatsächlich eine Lücke auf? Sollte neben einer Strompreisbremse auch eine Gaspreisbremse kommen?

Acht Perspektiven

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„Herr Bundeskanzler, deckeln Sie die Preise für Energie! Sonst kann das böse enden...“

Berliner Kurier, 11.08.2022 - Michael Heun

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Die Perspektive in 30 Sekunden

Chefredakteur Michael Heun appelliert an den Bundeskanzler, die steigenden Gaspreise entschlossen auszubremsen – dem sozialen Frieden zuliebe. Der Staat dürfe die Bevölkerung keinesfalls mit der „Preis-Explosion“ allein lassen. „Sonst kann das böse enden...“, warnt Heun in der Boulevardzeitung BERLINER KURIER.

Scholz’ Vorhersage, dass es keine sozialen Unruhen geben werde, zieht der Chefredakteur in Zweifel: „Wenn (…) Millionen Menschen um ihre Existenz fürchten müssen, können wir dann wirklich sicher sein, dass die Lage nicht eskaliert?“ Auch die Rhetorik des Bundeskanzlers hält er für wenig beruhigend: Zwar wolle dieser „niemanden alleinlassen“. Und keiner solle vor „unlösbare Probleme“ gestellt werden. Heun aber liest in diesen Worten vor allem eines: „dass die Belastungen trotzdem heftig werden“.

Gleichzeitig stehe das populistische Lager „schon in den Startlöchern, um den Unzufriedenen irgendeinen Protest-Unsinn zu versprechen“. Umso mehr sei die Regierung jetzt gefragt, die Gesetze des Marktes vorübergehend außer Kraft zu setzen – und Energiepreise staatlich zu deckeln. „Ohne so einen Deckel könnte das Risiko für Radikalisierung und Unruhen real werden“, befürchtet Heun. 

Anmerkungen der Redaktion

Michael Heun ist Journalist und Chefredakteur der Boulevardzeitung BERLINER KURIER. Der studierte Politik- und Literaturwissenschaftler hat die Journalistenschule Axel Springer besucht. Im Anschluss arbeitete er unter anderem als Chef vom Dienst für die BERLINER MORGENPOST und als Chefredakteur für die HILDESHEIMER ALLGEMEINE ZEITUNG. Als Chef vom Dienst der BERLINER MORGENPOST wurde Michael Heun unter anderem mit dem Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgezeichnet.

Der BERLINER KURIER ist eine Boulevardzeitung aus Berlin. Sie erscheint im Berliner Verlag. Die verkaufte Auflage wird seit Juni 2021 nicht mehr gemeldet, damals lag sie bei rund 38.000 verkauften Exemplaren. Die Zeitung ist das erste Mal 1949 unter dem Namen BZ AM ABEND erschienen. Sie war dem SED-Pressemonopol zuzurechnen und lange die einzige Abendverkaufszeitung der DDR. Auch heute noch ist sie vor allem in östlichen Teilen Berlins verbreitet. 2019 übernahm das Ehepaar Friedrich den Berliner Verlag. Beide wurden bereits mehrfach kritisiert, in die redaktionellen Abläufe einzugreifen und die journalistische Sorgfaltspflicht zu verletzen. Kurz nach der Übernahme des Verlags kam die Stasi-Vergangenheit von Holger Friedrich ans Licht. Anfang 2020 kündigte der Chefredakteur Matthias Thieme bereits nach drei Wochen seinen Vertrag nach internen Unstimmigkeiten. Seit 2022 ist der Lokal- und Boulevardjournalist Michael Heun Chefredakteur des BERLINER KURIER.

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„Es braucht jetzt einen Energiepreisdeckel – sonst droht erstmals Energiearmut“

Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), 24.08.2022 - Frank-Thomas Wenzel

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Die Perspektive in 30 Sekunden

„Ein Preisdeckel für Strom und Gas ist notwendig, weil erstmals Energiearmut droht“, kommentiert Wirtschaftskorrespondent Frank-Thomas Wenzel auf der Nachrichtenplattform REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND (RND). Dabei beweise spätestens ein Blick ins Ausland, dass zum Zögern keine Zeit mehr bleibe.

Wenzel verweist auf offizielle Angaben aus den Vereinigten Staaten, nach denen 20 Millionen Haushalte ihre Energierechnungen bereits nicht mehr bezahlen können. Entsprechend werde bereits vor einem „Tsunami an Gas- und Stromsperren“ gewarnt. „So weit darf es hierzulande nicht kommen“, mahnt der Wirtschaftskorrespondent. Er hält einen Preisdeckel für Strom und Gas für alternativlos: „Es ist höchste Zeit“, findet Wenzel. „Es geht um blanken Pragmatismus.“

Damit alle Haushalte ihren nötigsten Energiebedarf decken können, rät Wenzel dazu, den Grundverbrauch zu den Preisen des Vorjahres anzubieten. Die Menge müsse sich nach dem Durchschnittsverbrauch der jeweiligen Haushaltsgröße richten. Für Gas, das über den Grundverbrauch hinausgehe, falle dann der hohe Marktpreis an – um die Menschen zum Sparen zu bewegen. „Das beste Mittel, um einen Notstand zu verhindern, ist, den Energieverbrauch zu senken“, gibt der Autor zu bedenken.

Anmerkungen der Redaktion

Frank-Thomas Wenzel ist Wirtschaftskorrespondent und freier Redakteur. Er schreibt regelmäßig Artikel für die FRANKFURTER RUNDSCHAU, die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG, den KÖLNER STADT-ANZEIGER, die NEUE WESTFÄLISCHE ZEITUNG und das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND (RND). Wenzel hat Neuere deutsche Literatur an der Universität Marburg studiert und schloss 1990 mit einem Diplom ab.

Das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND (RND) ist eine 2013 gegründete überregionale Nachrichtenplattform der Madsack Mediengruppe. Der RND ist das Ergebnis von Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen bei Lokalzeitungen: Der RND verkauft sein Angebot von überregionalen Nachrichten unter anderem an lokale Tageszeitungen wie die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, die MÄRKISCHE ALLGEMEINE oder die OSTSEE-ZEITUNG. Die Madsack Mediengruppe gehört zu 23 Prozent der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG), die die Medienbeteiligungen der SPD verwaltet. Laut Similarweb hatte der Webauftritt des RND im Juli 2022 rund 12,5 Millionen Besuche zu verzeichnen.

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„‚Die pauschale Mehrwertsteuersenkung auf den Gasverbrauch ist ein Fehler‘“

Capital, 24.08.2022 - Isabella Weber, Jan Gänger

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Die Ökonomin Isabella Weber sieht die Bundesregierung im Zugzwang, die deutschen Haushalte stärker vor den Auswirkungen der Energiekrise zu schützen. Im Gespräch mit CAPITAL-Wirtschaftsredakteur Jan Gänger erklärt sie, warum es aus ihrer Sicht an der Zeit ist, die Gaspreise zu deckeln – und weshalb sie die beschlossene Mehrwertsteuersenkung auf den Gasverbrauch für trügerisch hält.

„Der Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch spannt einen Schutzschirm auf, wo nicht gespart werden kann – bei den Grundbedürfnissen eines Mindestmaßes an Heizen sowie Kochen und Duschen“, konstatiert Weber. Die beschlossene Mehrwertsteuersenkung dagegen erwecke nur den Anschein einer Entlastung – weil der Spareffekt durch die Mehrbelastung der Gasumlage wieder ausgeglichen werde. Zudem subventioniere die Mehrwertsteuersenkung auch jenes Gas, welches deutlich über den Grundverbrauch hinausgehe – also etwa für das Heizen von großen Villen oder Saunas.

Im Februar habe sie gemeinsam mit Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) einen Preisdeckel für einen Grundverbrauch von 8000 kWh vorgeschlagen. „In unserem Modell werden reichere Haushalte für ihren Grundverbrauch gleichermaßen entlastet wie ärmere, aber der Staat subventioniert hier keinen Luxusverbrauch“, argumentiert Weber.

Anmerkungen der Redaktion

Isabella Weber ist eine deutsche Ökonomin und Wirtschaftsprofessorin, die in den USA an der University of Massachusetts Amhorst forscht und lehrt. Sie leitet die Chinaforschung am Political Economy Research Institute und ist Autorin des Buches „How China escaped shock therapy: The market reform debate“. Weber hat Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Wirtschaftswissenschaften an der New School in New York City studiert. Daraufhin promovierte sie in Cambridge und wurde schließlich als unbefristete Dozentin an die University of London berufen. Diese verließ sie wiederum 2019, um eine Assistenzprofessur an der University of Massachusetts anzutreten. Weber sorgte 2021 mit ihrer These für Aufsehen, staatliche Preiskontrollen könnten einen Beitrag zur Inflationskontrolle beitragen. Später, im Jahr 2022, brachte sie auch den Vorschlag eines Gaspreisdeckels in die Debatte um den Umgang mit erhöhten Gaspreisen ein.

Jan Gänger leitet den Bereich Wirtschaft in der Online-Redaktion von N-TV. Dort arbeitet er seit 2007. Außerdem ist er Leiter im Ressort Wirtschaft bei der NACHRICHTENMANUFAKTUR. Diese ging 2003 als Spin-Off aus der Redaktion Neue Medien des Nachrichtensenders N-TV hervor und unterstützt die Redaktionen bei den Themen Apps, Internet und Teletext. Davor war Gänger Wirtschaftsredakteur bei der NZ-NETZEITUNG. Gänger lebt in Berlin.

CAPITAL ist ein monatlich erscheinendes Wirtschaftsmagazin des Medienverlags Gruner + Jahr, das seit 1962 erscheint. In den 1970er- und 1980er-Jahren gehörte es zu den meinungsführenden Wirtschaftsmagazinen in Deutschland. Heute ist die verkaufte Auflage stark eingebrochen und lag etwa im Frühjahr 2020 nur noch bei rund 110.000 Exemplaren. Zuletzt ist die Auflage wieder leicht gestiegen: Im 2. Quartal 2022 lag sie bei rund 127.000 Exemplaren. Wirtschaftliche Themen werden bei CAPITAL aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt. Neben klassischen neoliberalen Positionen vertreten einige Texte auch links-progressive und ökologische Haltungen.

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„Künstlich billig kommt teuer“

Die Tageszeitung (TAZ), 18.08.2022 - Bernward Janzing

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„Der Staat sollte auf keinen Fall die Preise deckeln“, appelliert Bernward Janzing, Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt. Er befürchtet, dass niedrige Energiepreise den Verbrauch nur noch weiter in die Höhe treiben: „Künstlich billig kommt teuer“, warnt er daher in der TAGESZEITUNG (TAZ).

Janzing hält hohe Energiepreise für ein wichtiges Signal: Immerhin werde die Bevölkerung durch sie daran erinnert, dass Strom und Gas in diesen Tagen ein knappes Gut sind. Wenn das Sparen dagegen durch günstige Preise in Vergessenheit gerate, liege darin ein umso größeres Risiko verborgen. „Spiegeln Preise eine Verknappung nicht angemessen wider, kann die Versorgung aus den Fugen geraten“, betont Janzing.

Über all die „Ideen, Energie künstlich billiger machen zu wollen“, kann Janzing nur den Kopf schütteln. In seinen Augen „verschleudert“ der Staat dabei Geld, das sinnvoller eingesetzt werden könne. „Der Flop mit dem Tankrabatt sollte ein Lehrstück sein“, findet er. Denn trotz gesenkter Mineralölsteuern sei kaum etwas bei den Bürger:innen angekommen.

Anmerkungen der Redaktion

Bernward Janzing ist freier Journalist. An der Universität Freiburg studierte er Geografie, Geologie und Biologie und arbeitete währenddessen als freier Autor. 1993 bis 1995 hat er ein Volontariat bei der BADISCHEN ZEITUNG absolviert. Danach arbeitete Janzing unter anderem für die TAZ, den STERN und die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND. Für diverse Medien schreibt Janzing heute über Energie, Rohstoffe, Geldanlagen, Klimaschutz, Mobilität und Technik.

Die TAGESZEITUNG (TAZ) ist eine überregionale deutsche Tageszeitung. Sie wurde 1978 als alternative, selbstverwaltete Zeitung – unter anderem vom Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele – gegründet. Die Zeitung hat sich besonders in ihrer Anfangszeit an Linke, Studierende, Grüne und die Hausbesetzer-Bewegung gerichtet. Erklärtes Ziel der TAZ ist es seither, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Sie gehört heute zu den zehn größten überregionalen Tageszeitungen in Deutschland, mit einer verkauften Auflage von knapp 48.000 Exemplaren (2/2022). Nach eigenen Angaben verzeichnet die Webseite TAZ.DE bis zu 12 Millionen Zugriffe monatlich (9/2021). Das Goethe-Institut verortet die TAZ als „grün-linkes“ Blatt und betont besonders die oft sehr kritische Berichterstattung der Zeitung. Eurotopics sieht die TAZ als linkes Medium und stellt die gestaffelte Preisgestaltung und die Entscheidung gegen Online-Bezahlschranken als Besonderheiten der Zeitung heraus. Die TAZ wird genossenschaftlich herausgegeben, jährlich findet eine Generalversammlung statt, an der jedes der zuletzt (2022) rund 22.000 Mitglieder teilnehmen kann.

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„Kontonummer, bitte“

Die Zeit, 25.08.2022 - Mark Schieritz

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Eine Gaspreisbremse würde am Ziel vorbeischießen, macht der wirtschaftspolitische Korrespondent Mark Schieritz deutlich. Nach seinem Dafürhalten gibt es effizientere staatliche Mittel, um die Folgen der Energiekrise punktuell abzumildern: „Nötig wären direkte Zahlungen an die Haushalte“, schreibt er in der Wochenzeitung DIE ZEIT.

Staatliche Hilfen müssen in Schieritz’ Augen vor allem Menschen mit wenig Geld erreichen. Wenn dagegen auch „Spitzenverdiener“ von verringerten Sätzen profitieren, hält er das für wenig sinnvoll. Damit einkommensschwächere Haushalte ihre Gasrechnungen aber dennoch bezahlen können, sei es wichtig, diese durch gezielte Ausgleichszahlungen zu unterstützen.

Dennoch verweist Schieritz auf ein praktisches Problem: „Der Staat hat zwar die Meldeadresse aller Bürger gespeichert, aber nicht die Bankverbindung.“ Weil direkte Transfers an die Haushalte derzeit noch nicht möglich seien, nutze der Staat hilfsweise ein anderes Instrument: das Senken der Steuern. „Das ist aber praktisch nie zielgenau“, bedauert Schieritz.

Anmerkungen der Redaktion

Mark Schieritz ist wirtschaftspolitischer Korrespondent im Hauptstadtbüro der ZEIT. Zuvor war er Leiter der Finanzmarktredaktion der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND, die im Jahr 2012 eingestellt wurde. Schieritz hat Politik und Wirtschaftswissenschaften in Freiburg, Harvard und London studiert. 2015 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „Der Lohnklau: Warum wir nicht verdienen, was wir verdienen und wer daran schuld ist“.

DIE ZEIT ist die größte deutsche Wochenzeitung und hat ihren Sitz in Hamburg. DIE ZEIT erscheint seit 1946 und wurde von ihren ersten beiden Chefredakteuren Ernst Samhaber und Richard Küngel zunächst als rechts-konservatives Blatt ausgelegt. Erst in den 1960er Jahren wurde die Wochenzeitung durch Marion Gräfin Dönhoff und den langjährigen Chefredakteur Theo Sommer als liberales Medium ausgerichtet. Dönhoff prägte DIE ZEIT bis 2002 und gab sie von 1968 bis 1972 heraus, ab 1983 gemeinsam mit Altkanzler Helmut Schmidt (SPD). In gesellschaftspolitischen Fragen gilt DIE ZEIT als grundsätzlich (links-)liberal, hat allerdings auch viele Gastbeiträge aus dem gesamten Meinungsspektrum oder stellt Beiträge mit gegensätzlichen Meinungen gegenüber. Der NDR urteilt, DIE ZEIT gelte als „Blatt der Akademiker und Intellektuellen“ — und sei damit durchaus erfolgreich. Tatsächlich gehört DIE ZEIT zu den wenigen deutschsprachigen Printmedien, die seit der Digitalisierung an Auflage gewonnen haben. Zuletzt lag diese bei knapp 612.000 Exemplaren (2. Quartal 2022).

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„Energie-Expertin Kemfert: Kosten deckeln, nicht Preise“

Evangelisch.de, 31.07.2022 - Claudia Kemfert, Dirk Baas

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Claudia Kemfert, Energie-Expertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), kann einer Deckelung der Gaspreise nichts abgewinnen. Sie ist überzeugt, dass eine vergünstigte Abgabe des knappen Gases der Gesellschaft teuer zu stehen kommen wird: „Wir sollten Kosten deckeln, nicht Preise“, zitiert das Webportal EVANGELISCH.DE aus einem Interview mit Redakteur Dirk Baas vom EVANGELISCHEN PRESSEDIENST (EPD).

Ein Preisdeckel auf Gas könnte laut der Ökonomin ernste Versorgungsprobleme zur Folge haben, „weil dann zu viel Gas nachgefragt wird, wir aber eigentlich Gas einsparen müssten“, so Kemfert. Die Energie-Expertin plädiert daher dafür, dass die Konzerne die gestiegenen Gaspreise auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterreichen dürfen. Gleichzeitig rät Kemfert dazu, Haushalten, die Gas einsparen, Prämien anzubieten.

Andernfalls steht den Menschen nach ihrer Einschätzung eine echte Gaskrise ins Haus: „Wir haben es in der Hand, eine mögliche Gasmangellage zu vermeiden und auch, dass wir in solche Panikszenarien abdriften“, hebt Kemfert hervor. Die Ursache dieser Zwangslage verortet sie in der „verschleppten Energiewende“: Viel zu lange habe Deutschland sich auf fossiles Erdgas verlassen – und auf Lieferungen aus Russland.

Anmerkungen der Redaktion

Claudia Kemfert ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dem größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut. Das DIW wird vom Bund und den Bundesländern finanziert und betreibt neben der Wirtschaftsforschung auch wirtschaftspolitische Beratung. Kemfert ist außerdem Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität Lüneburg und Mitglied des Herausgeberrates des Klimawandel-Magazins KLIMAREPORTER. Sie hat Wirtschaftswissenschaften in Bielefeld und Oldenburg studiert. Vor ihrer Anstellung als Professorin an der Leuphana Universität ist sie unter anderem Professorin für Umweltökonomie an der Humboldt-Universität in Berlin und Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin gewesen.

Dirk Baas ist Journalist und Redakteur des Evangelischen Pressediensts (EPD) in der Zentralredaktion Frankfurt. Er beschäftigt sich dort mit Sozialpolitik und Kulturthemen. Baas schreibt unter anderem auch für die JÜDISCHE ALLGEMEINE und das MIGAZIN.

EVANGELISCH.DE ist ein Portal der Evangelischen Kirche Deutschlands. Die Seite bietet Antworten auf Fragen nach dem Glauben sowie verschiedene Services rund um die evangelische Kirche. Die Inhalte werden vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) publiziert. Das GEP ist 1973 vom bayerischen Pfarrer Robert Geisendörfer gegründet worden und betreibt neben EVANGELISCH.DE auch das der ZEIT beiliegende Magazin CHRISMON, den EVANGELISCHEN PRESSEDIENST (EPD) und eine evangelische Journalistenschule. EVANGELISCH.DE möchte gesellschaftliche und politische Entwicklung aus dezidiert evangelischer Perspektive beleuchten. Laut Similarweb hatte EVANGELISCH.DE im Juli 2022 rund 440.000 Besuche zu verzeichnen.

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„Wie NRW dabei hilft, russisches Gas überflüssig zu machen“

Westdeutscher Rundfunk (WDR), 05.08.2022 - Rainer Striewski

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„Liquified Natural Gas“ – kurz: LNG ­– gilt spätestens seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine als Hoffnungsträger auf dem europäischen Gasmarkt. Der Journalist Rainer Striewski hat für den WESTDEUTSCHEN RUNDFUNK (WDR) recherchiert, wie das verflüssigte Erdgas die Versorgung in Deutschland sichern soll – und welche Rolle NRW dabei spielt.

Bei LNG handelt es sich um Gas, das durch das Herunterkühlen auf minus 161 bis 164 Grad Celsius in einen flüssigen Zustand versetzt wird. Im Gegensatz zu russischem Gas wird es daher nicht per Pipeline, sondern per Schiff nach Deutschland transportiert. Um die Tanker zu entladen, sind spezielle Terminals notwendig – zwei werden derzeit in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein sowie in Wilhelmshaven in Niedersachsen gebaut.

„Und hier kommt auch NRW ins Spiel“, hebt Striewski hervor. Denn das LNG-Terminal in Wilhelmshaven werde auch mit Bauteilen von Mannesmann in Hamm errichtet. Insgesamt handele es sich um 800 Tonnen Stahlrohre aus NRW, die im Norden verbaut werden. Nicht zuletzt durch die zügige Lieferung sei es laut des Betreibers Uniper möglich, die sonst übliche Bauzeit von fünf bis sechs Jahren auf zehn Monate zu verkürzen.

Die LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel sollen nach Striewskis Recherchen bis Jahresende ans Netz gehen. Dort wird das Flüssiggas dann wieder in den gasförmigen Zustand verwandelt und in das Gasleitungsnetz eingespeist. Drei weitere deutsche Terminals seien im niedersächsischen Stade an der Elbe und in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern geplant.

Der Ökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum hält es laut des Beitrags für möglich, dass Deutschland mit den LNG-Terminals „weitgehend vom russischen Gas unabhängig“ werden kann. Das Gas liege zwar preislich über dem russischen Pipeline-Gas. „Aber es wird bedeutend günstiger sein als die Gaspreise, die wir heute in dieser Krisensituation sehen“, zitiert der WDR den Experten.

Anmerkungen der Redaktion

Rainer Striewski berichtet für den WDR über die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen. Er hat Literaturwissenschaft und Politik studiert und später für das Fernsehen gearbeitet. Hier kam er 2001 auch zum WDR, für den er seither tätig ist. Neben der Landespolitik berichtet Striewski auch über die Pflege und Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen.

Der WESTDEUTSCHE RUNDFUNK (WDR) ist die größte der neun Landesrundfunkanstalten der ARD. Er entstand 1956, als sich der NWDR in den NDR und den WDR aufteilte. Die Sendeanstalt hat sechs Radioprogramme und einen Fernsehsender, zu dessen bekanntesten Programmen unter anderem das Politmagazin „Monitor“, die „Sportschau“ oder das Kinderangebot „Die Sendung mit der Maus“ gehören. Laut eigenen Angaben ist der Sender nach Anzahl der Beschäftigten das zweitgrößte Medienunternehmen Europas hinter der BBC. Laut der „Media-Analyse 2021“ erreicht der Fernsehsender des WDR in Deutschland täglich rund 8 Millionen Zuschauer:innen, der Radiosender rund 11 Millionen Zuhörer:innen. Der Webauftritt des WDR hatte im Juli 2022 laut Similarweb rund 14,9 Millionen Besuche zu verzeichnen.

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„Zögern der Ampel bei Entlastungen: Warum lernt Deutschland nicht von anderen Europäern?“

Tagesspiegel, 09.09.2022 - Christoph von Marschall

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Warum lernt Deutschland nicht von anderen Europäern?“, gibt der diplomatische Korrespondent des TAGESSPIEGELS, Christoph von Marschall, zu bedenken. Immerhin stehe Deutschland „nicht einsam vor der Aufgabe, die Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine zu meistern“. Daher sei es höchste Zeit, anderen EU-Staaten öfter mal über die Schulter zu gucken.

Das gelte auch für die Deckelung von Energiekosten. Etwa in Belgien, Estland, Frankreich, Griechenland, Kroatien, Portugal, Rumänien, Spanien oder Ungarn seien Preisdeckel für Gas oder Strom – oder auch beides – längst beschlossene Sache: Der Staat übernehme die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem, was die Haushalte maximal zahlen sollen.

Selbst die neue Premierministerin des Vereinigten Königreichs habe sich zügig dazu entschlossen, Gas- und Strompreise einzufrieren – und das, „obwohl es ihrer neoliberalen Weltanschauung widerspricht, dass der Staat sich so weit wie möglich aus der Wirtschaft heraushalten solle“, unterstreicht von Marschall. Die Ampel sei dagegen „oft spät dran“ – geradezu so, „als müssten sie das Rad neu erfinden“.

Auch beim Tankrabatt im Juni habe die Bundesregierung auf Erfahrungswerte aus anderen Staaten verzichtet: Mit Zuschüssen von 15 bis 30 Cent pro Liter seien Frankreich, Italien und Spanien etwa längst dabei gewesen, die Tankenden zu entlasten. „Der Kunde sah auf dem Kassenbon, was der Staat für ihn tut“, lobt von Marschall. Für Deutschlands „komplizierten Sonderweg“ hat er dagegen nicht viel übrig: Kaum jemand habe verstanden, wie die Staatshilfe überhaupt wirkt.

„In der Praxis spielt der Blick auf die EU-Partner kaum eine Rolle“, mahnt der Autor. Vielmehr sei zu beobachten, dass sich zwei „deutsche Eigenheiten“ vor allem in der Krise offenbaren: „die unausgesprochene Annahme, dass in der Regel kleinere Länder von den größeren lernen und nicht umgekehrt – und die Neigung zu perfektionistischen Lösungen, die oft so komplex werden, dass sie ihr Hauptziel verfehlen“.

Anmerkungen der Redaktion

Christoph von Marschall ist Journalist und derzeit diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion der Berliner Tageszeitung TAGESSPIEGEL. Der promovierte Politikwissenschaftler und Historiker für Osteuropäische Geschichte arbeitet seit 1991 als Redakteur beim TAGESSPIEGEL. Hier war er unter anderem für die Reportageseite und das Meinungsressort verantwortlich. Von 2005 bis 2013 hat er aus den USA berichtet und war der einzige deutsche Zeitungskorrespondent mit Zugangspass zum Weißen Haus. Er ist zudem regelmäßiger Kommentator im DEUTSCHLANDFUNK, Autor politischer Feuilletons im DEUTSCHLANDRADIO und schreibt für das Magazin CICERO. Im Jahr 2002 hat von Marschall den Deutsch-Amerikanischen Kommentarpreis des Auswärtigen Amtes für einen Kommentar zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erhalten. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2018 „Wir verstehen die Welt nicht mehr. Deutschlands Entfremdung von seinen Freunden“. In dem Buch analysiert er die Herausforderungen für die deutsche Außen- und Europapolitik in Zeiten von Donald Trump, dem Brexit und den vielfältigen Krisen der EU.

DER TAGESSPIEGEL ist eine 1945 gegründete Tageszeitung aus Berlin. Er hat mit knapp 103.000 Exemplaren (2/2022) die höchste Auflage unter den Berliner Abonnementzeitungen und wird im Unterschied zur BERLINER ZEITUNG traditionell vor allem in den westlichen Bezirken der Stadt gelesen, da die Mauer die Verbreitung der Zeitung auf Westberlin beschränkte. Seit 2014 erhält der TAGESSPIEGEL besondere Aufmerksamkeit durch den Checkpoint Newsletter, der täglich aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft berichtet. EUROTOPICS beschreibt die Blattlinie der Zeitung als liberal. Der TAGESSPIEGEL wurde lange Zeit den regionalen Zeitungen zugerechnet, verfolgt seit einigen Jahren jedoch verstärkt eine überregionale Ausrichtung. Die Printauflage bleibt jedoch stark regional dominiert.