Kinderspielzeug „Pickende Hühner“

Geschnitztes Spielzeug von Zwangsarbeitern als Tauschobjekte um zu überleben: Das Stalag VI A in Hemer

Das Stalag VI A in Hemer gehörte zu den großen Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlagern im Deutschen Reich. Die Aufarbeitung der Geschichte dieses Lagers setzte Anfang der 1980er Jahre ein. Im Jahre 1982 brachte die örtliche „Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung“ erstmals eine kleine Informationsschrift heraus.

Die Thematisierung des Leidens und Sterbens der Kriegsgefangenen aus vielen europäischen Ländern stieß in der Bevölkerung zunächst auf starke Ablehnung. Die Erkenntnis, dass man der eigenen Geschichte nicht entkommen kann, führte in den kommenden Jahren sowohl in der Bevölkerung als auch bei der Bundeswehr, auf deren Kasernengelände das Lager von 1939 bis 1945 gewesen ist, zu einem zunehmend sachlicheren Umgang mit der Vergangenheit.

Es fehlte jedoch ein sichtbares, dauerhaftes Zeichen der Erinnerung an das Lager. Mit Hilfe der Bundeswehr entstand schließlich im Herbst 1992 nahe beim Kasernentor das Mahnmal „Den Opfern des Stalag VI A zum Gedenken“. Am 22. November 1992 wurde das Bauwerk, welches als Zeichen der Völkerverständigung und Versöhnung verstanden werden will, eingeweiht.

Am 14. April 1995 wurde anlässlich des 50. Jahrestages der Befreiung des Stalags ein von der Bundeswehr an der Wache der Kaserne eingerichteter Gedenkraum der Öffentlichkeit übergeben. Zeitgleich erschien das von Mitgliedern des Arbeitskreises Stalag VI A verfasste Buch "Stalag VI A Hemer. Kriegsgefangenenlager 1939-1945. Eine Dokumentation", worin erstmals umfassend die Lagergeschichte beschrieben wurde.

Der Gedenkraum in einem der Wachgebäude musste im Frühjahr 2009 wegen des Raumbedarfs für die Landesgartenschau im Jahre 2010 aufgegeben werden. Nach völliger Neugestaltung der Ausstellungsinhalte und -präsentation wurde die "Informations- und Gedenkstätte Stalag VI A" am 21. März 2010 im Erdgeschoss eines ehemaligen Kasernenblocks mit einer Fläche von mehr als 80 qm neu eröffnet. Die Gedenkstätte war offizieller Teil der Landesgartenschau von NRW in Hemer von Mitte April bis Ende Oktober 2010 und verzeichnete mehr als 24.000 Besucher.

Die Informations- und Gedenkstätte befindet sich am historischen Ort in einem der Gebäude, die ab 1937 als Panzerkaserne errichtet worden waren. Als der Krieg ausbrach, war die Kaserne noch im Rohbau und wurde im Oktober 1939 zum Kriegsgefangenenlager umgewidmet. Es war das erste „Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager“, abgekürzt „Stalag“ im Wehrkreis VI (Münster) und erhielt deshalb den Zusatz „VI A“. Das Stalag wurde am 14. April 1945 von amerikanischen Truppen befreit und war dann für einige Monate als „Camp Roosevelt“ ein Lager für „Displaced Persons“, worin die ehemaligen Gefangenen auf die Rückkehr in ihre Heimatländer warteten. Ab Herbst 1945 nutzte die Britische Rheinarmee das ehemalige Lagergelände als „Civilian Internment Camp No. 7“ für die Inhaftierung von nach Ansicht der britischen Besatzungsmacht in den Nationalsozialismus verstrickten Deutschen. Ab Herbst 1946 bis 1956 dienten die Kasernengebäude der belgischen Besatzung unter dem Namen „Caserne Ardennes“ als Stützpunkt. 1956 wurde die Kaserne einer der frühen Standorte der neu gegründeten Bundeswehr und erhielt 1965 ihren Namen  „Blücher-Kaserne“. Im Januar 2007 gab die Bundeswehr im Rahmen der Truppenreduzierung der NATO den Standort Hemer auf.

In nahezu direktem Übergang fand die leerstehende Kaserne als Landesgartenschau-Gelände eine Anschlussnutzung. Nach Ende der Landesgartenschau wurde das umgestaltete Gelände als „Sauerland-Park Hemer“ (Erholungs-, Freizeit- und Familienpark) im Frühjahr 2011 neu eröffnet.

Die Dauerausstellung dokumentiert das Alltagsleben, Leiden und Sterben tausender Gefangener während des 2. Weltkrieges und die geschichtliche Aufarbeitung des Themas „Stalag“. Fotos, Dokumente, Druckschriften, Gegenstände und Modelle geben Einblicke in das Lagerleben, das Massenelend im Lager und wie man in Hemer nach dem Krieg damit umgegangen ist.
Dominierendes Element sind die eindrucksvollen zeitgenössischen Fotos. Direkt am Eingang beeindruckt ein großes Modell des Lagergeländes im Maßstab 1:300. In einer Vitrine im hinteren Teil der Ausstellung werden die original Bastelarbeiten der sowjetischen Kriegsgefangenen gezeigt.

Nahe am Ausgang haben Besucher die Gelegenheit, im Gästebuch ihre Eindrücke beim Besuch der Ausstellung nieder zu schreiben. Die Ausstellung ist in 10 Kapitel gegliedert, wobei jedes in einem sehr kurzen Leittext auf Schrifttafeln zusammengefasst ist.

Die Dauerausstellung ist selbsterklärend und durch den chronologisch-systematischen Aufbau auch ohne Führung für die Besucher zu erfassen. Nach Terminvereinbarung finden Gruppenführungen (Angehörige von ehemaligen Gefangenen, Schulklassen, Vereine, VHS) nicht nur durch die Gedenkstätte, sondern auch in das ehemalige Lagergelände und auf Wunsch auch zu den Friedhöfen statt. Der Verein für Hemeraner Zeitgeschichte bietet speziell für Schulen Kurzseminare zu speziellen Themen der Lagergeschichte an.

In Hemer erinnern mehrere Gedenkorte an das Stalag VI A und seine Folgen:

  • Mahnmal an der Ostenschlahstraße vor dem Gelände des Sauerlandparks
  • Informations- und Gedenkstätte im Gebäude Nelkenweg 5-7 im Sauerlandpark
  • Friedhof am Höcklingser Weg, nahe der Bundesstraße 7
  • Friedhof auf der Anhöhe des Duloh, westlich des Stadtzentrums

Die Gedenkstätte ist unbestrittener Teil der Geschichtskultur in Hemer geworden und wird sehr gut angenommen (2011 4.300 Besucher) Die Bevölkerung der Stadt und auch die Medien stehen dieser Form der Erinnerungsarbeit positiv gegenüber.

Weitere Informationen: www.stalag-via.de