Das Milchkännchen aus weißem Porzellan der Familie Treistmann

Ein zerbrochenes Milchkännchen als Verweis auf die unsichere Lebenswelt von Jüdinnen und Juden: Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

Das Milchkännchen wird kein Tisch mehr zieren: Es ist zerbrochen. Die Scherben wurden nicht in den Müll geworfen, sondern sorgsam aufbewahrt. Der Stempel auf dem Boden gibt Aufschluss. Das Kännchen ist ein Stück „Judenporzellan“. Es ist in der Alten Synagoge Wuppertal zu sehen.

Die „Begegnungsstätte Alte Synagoge“ wurde 1994 als Ort des Gedenkens und des Lernens im Zentrum Wuppertal-Elberfelds eröffnet – genau an der Stelle, an der bis zur „Reichskristallnacht“ am 10. November 1938 die Synagoge stand.

In den 1980er Jahren war von verschiedenen Seiten eine würdigere Gestaltung des Ortes gefordert worden. Aber erst 1994 konnte das architektonisch und städtebaulich herausragende Gebäude eingeweiht werden. Den Grundriss der zerstörten Synagoge bezeichnen graue Granitsteinplatten. Darunter befinden sich noch Reste der alten Fundamente. Nur an der nördlichen Seite ist heute die Ruine einer der Grundmauern freigelegt, die als „Mahnmal“ an die nationalsozialistische Judenverfolgung erinnert. Als „Antwort auf Zerstörung und Lärm und überhaupt das viele Ungelöste“ (Peter Busmann) schließt sich ein Garten mit zehn Apfelbäumen und einem künstlichen Wasserlauf in der Mitte an – ein „unbetretbarer Ort“.

Die inhaltliche Arbeit der Begegnungsstätte wird vom „Trägerverein Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal e.V.“ verantwortet, der sich aus über zwanzig gesellschaftlichen Institutionen und Vereinen zusammensetzt.

In der „Begegnungsstätte Alte Synagoge“ ist seit April 2011 eine Dauerausstellung über die jüdische Religion und Geschichte im Wuppertal und der Region zu sehen. Damit nimmt das Haus seine Kernaufgabe wahr, „die Erinnerung an das Schicksal der jüdischen Bevölkerung [...], insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus, wachzuhalten und das geschichtliche Verständnis zu fördern.“

Objekte, Dokumente und Fotografien beleuchten die jüdische Geschichte seit ihren Anfängen – das älteste Dokument stammt aus dem Jahr 1682. Der schwierige Alltag der Juden und Jüdinnen in der Zeit der „Schutzbriefe“ ist ebenso ein Thema wie der Kampf um ihre Emanzipation im 19. Jahrhundert. Wie hat man sich jüdisches Leben zwischen Synagoge und Arbeitswelt vorzustellen? Wie sahen die bergischen Synagogen aus und wie verlief der Gottesdienst?

Besonders anschauliche Exponate der Ausstellung sind die Modelle der vier bergischen Synagogen im Maßstab 1:50 – die Gotteshäuser in Schwelm, Elberfeld, Solingen und Barmen.

Am wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg der bergischen Städte haben auch Juden und Jüdinnen mitgewirkt: Angezogen von den wirtschaftlichen Perspektiven waren sie im Laufe des 19. Jahrhunderts hier heimisch geworden. Sie hatten Teil an der allgemeinen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, in den Phasen der Prosperität wie in Zeiten der Krisen. Die jüdische Dichterin Else Lasker-Schüler stammt aus dem Wuppertal, und weitere Namen verdienstvoller jüdischer Bürger und Bürgerinnen könnten genannt werden. Wie brüchig aber die Beziehung zwischen der jüdischen Minderheit und der christlichen Mehrheit war, zeigte sich in der Zeit des Nationalsozialismus.

Die Begegnungsstätte versteht sich auch als Gedenkstätte. Das Thema der nationalsozialistischen Judenverfolgung hat hier also einen wichtigen Ort. Viele ehemalige bergischen Jüdinnen und Juden, die in der Zeit des Nationalsozialismus ihre Heimat verlassen mussten, haben der Begegnungsstätte einmalige und berührende Erinnerungsstücke zur Verfügung gestellt. Diese Objekte, Dokumente und Fotografien erzählen eine Geschichte von Abschied und Verlust, aber sie halten zugleich eine lebendige Verbindung zur „bergischen Diaspora“ und ihren Nachfahren.

Wichtig ist der Blick in die Gegenwart und Zukunft: Was geschah nach dem Holocaust? Wie entwickelte sich die jüdische Gemeinde seit 1945, und wie leben Juden heute bei und mit uns? Eine Galerie mit den Portraits von heute in unserer Region lebenden Jüdinnen und Juden zeigt das breite Spektrum jüdischer Identität in der Gegenwart auf: Hier sprechen Menschen aus Israel und aus Aserbaidschan, aus dem Kongo und aus Deutschland – die jüdische Welt im Bergischen Land ist international!

Schließlich stellen wir auch die Frage, wie man nach 1945 mit der belastenden Geschichte des Holocaust umgegangen ist. Was und wie lernen wir und unsere Kinder aus dieser Geschichte? Auch damit leistet die Ausstellung ihren Beitrag zu der Zukunftsaufgabe, gegen Antisemitismus und Ungerechtigkeit vorzugehen und die gerade hier so lebendige kulturelle Vielfalt zu stärken.

Die „Begegnungsstätte Alte Synagoge“ ist seit vielen Jahren eine verlässliche Partnerin aller Schulen – Grund- und Förderschulen, Haupt-, Real- und Gesamtschulen, Gymnasien und Berufskollegs. Im Religions- und Ethikunterricht, im Geschichts- und Politikunterricht und im Deutsch- und Literaturunterricht ist eine Exkursion in die Begegnungsstätte oft ein motivierender Impuls oder eine sinnvolle Vertiefung.

Mehr Informationen: www.alte-synagoge-wuppertal.de