Das Relief von Herkules im Kampf mit der Hydra

Das Herkulesmotiv des Künstlers Werner Simon als Versinnbildlichung der Unmenschlichkeit: Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus Lüdenscheid e.V.

Im Jahr 1873, zwei Jahre nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches, wurde in Lüdenscheid ein neues Rathaus gebaut. Bis 1964 blieb es die politische Zentrale der Stadt. Im Keller richtete der Stadtrat ein Polizeigefängnis mit vier Arrestzellen ein, denn in Lüdenscheid galt der Bürgermeister (später Oberbürgermeister) als Polizeidezernent mit direkter Verbindung zum Regierungspräsidenten in Arnsberg.

Während in den Jahren der Weimarer Republik in Berlin zwanzig Regierungen in kurzer Folge einander ablösten und das System schwächten, blieb auf der kommunalen Ebene der Stadt Lüdenscheid Bürgermeister Dr. Wilhelm Jockusch von 1896 bis 1930 ununterbrochen im Amt. Erst mit der Krisenzeit wurde 1931 der Jurist Dr. Ludwig Schneider (1893-1977) neues Stadtoberhaupt. Schneider war in den frühen 1920er Jahren Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei gewesen, trat aber im Mai 1933 der NSDAP bei, um im Amt bleiben zu können.

Schon im Februar 1933 erwirkte die örtliche Kreisleitung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei die Einsetzung des SA-Brigadeführers Escher zum Polizeichef im Rathaus. Doch wegen seiner Inkompetenz wurde er schon 1934 von Poppe Janßen (1900-1967) abgelöst, der dem Zentrum nahegestanden hatte und wegen seiner mäßigenden Haltung aus Unna nach Lüdenscheid versetzt worden war. Janßen, eine politisch und moralisch widersprüchliche Persönlichkeit, blieb bis 1941 im Amt.

Auf der Grundlage der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ („Reichstagsbrandverordnung“) vom 28. Februar 1933 wurden im Zuge der nationalsozialistischen Machtdurchsetzung zahllose Kommunisten und Regimegegner im Polizeigefängnis in so genannte Schutzhaft genommen. Viele kamen von hier über die Gestapoleitstelle Steinwache in Dortmund in das KZ Benninghausen und dann in die Emslandlager. Da die Kapazität des Gefängnisses im Rathaus bald nicht mehr ausreichte, wurden auch das Kellergeschoss des Stadtbauamts in der Staberger Straße 1, das Gerichtsgefängnis und – so wird berichtet – der Keller des Stadthauses (heute: Stadtbücherei) als Gefängnis für die Lüdenscheider „Schutzhäftlinge“ genutzt. Die „Reichstagsbrandverordnung“ – praktisch die Verfassungsurkunde der zwölfjährigen Nazi-Diktatur – schloss demokratische Rechtswege aus; die Gestapo entschied willkürlich über die Haftzeit und -bedingungen ihrer Opfer.

In Lüdenscheid nahm die Zahl der Verhaftungen in den zwölf Jahren des nationalsozialistischen Regimes dramatisch zu und verdoppelte sich von jährlich rund 120 auf 250 aus politischen Gründen. Da viele der Betroffenen mehrmals verhaftet wurden, gehen wir heute von einer Zahl von 700 bis 800 politischen Häftlingen aus, darunter Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Helfer und Sympathisanten, Juden, Zeugen Jehovas, Zwangsarbeiter, „Arbeitsscheue“ und Menschen mit psychischen oder körperlichen Abweichungen. Mehr als hundert von ihnen wurden ermordet.

Rund 350 der einstigen Häftlinge haben nach 1945 einen Antrag auf Wiedergutmachung gestellt. Die meisten aber, z.B. die ehemaligen Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, waren nicht in der Lage, solche Anträge zu stellen, vor allem deshalb, weil die politischen Beziehungen zwischen dem deutschen Nachfolgestaat, der Bundesrepublik Deutschland, und der Sowjetunion dies nicht erlaubten.

Weitere Informationen: www.ge-denk-zellen-altes-rathaus.de