Das Sommerkleid mit gelben Stern von Lore Gabelin

Verbrechen des Nationalsozialismus: Villa Merländer e.V. – NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld

Die NS-Dokumentationsstelle betreut mit der Villa Merländer einen Ort, in dem einerseits die deutsch-jüdische Geschichte in besonderer Weise nachspürbar ist und in dem sich andererseits zwei Wandbilder des Malers Heinrich Campendonk ansehen lassen. Außerdem befindet sich dort eine Ausstellung "Krefeld und der Nationalsozialismus" und eine Installation "Luftschutzkeller".

Die NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld hat ihren Sitz in der Villa Merländer. Im Stadtarchiv existiert zusätzlich eine große Bibliothek mit einem inhaltlichen Schwerpunkt auf der Regionalgeschichte des Nationalsozialismus. Die Bücher können zwar nicht ausgeliehen, aber im Lesesaal eingesehen werden. Ein Sonderbestand mit Büchern aus der NS-Zeit steht wissenschaftlichen Nutzern und Nutzerinnen über Fernleihe zur Verfügung.

Die Villa an der Friedrich-Ebert-Straße 42 wurde 1924/25 für den Seidenhändler Richard Merländer (geboren 1874 in Mülheim/Ruhr) gebaut. Der Architekt hieß Friedrich Kühnen. Richard Merländer war Junggeselle und lebte mit seinem Personal in dem eigentümlich konzipierten Gebäude. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er nach 1933 vom nationalsozialistischen Staat verfolgt. Er musste seine Firmenanteile aufgeben, seine bürgerliche Existenz wurde vernichtet. Man zwang ihn zum Verkauf seines Hauses. Stattdessen musste er 1941 in ein „Judenhaus“ umziehen.

Der 68-jährige Richard Merländer wurde im Juli 1942 in das Lager Theresienstadt deportiert. Als nicht mehr arbeitsfähig schob man ihn im September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka ab. Da von den 3.000 Menschen dieses Transportes keiner überlebte, sind die genauen Umstände seines Todes unbekannt. Wahrscheinlich wurde er kurz nach der Ankunft in der Gaskammer ermordet.
Sein Haus wurde nach der „Entjudung“ in ein Hotel umgewandelt und wechselte mehrfach den Besitzer. 1989 wurde es von der Stadt Krefeld angemietet. Nach der Entdeckung bedeutender Wandgemälde des Künstlers Heinrich Campendonk beschloss der Rat der Stadt Krefeld, in dem Haus ein Dokumentations- und Begegnungszentrum einzurichten, das sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Krefeld beschäftigt.

In der Villa Merländer befinden sich zwei Wandgemälde von Heinrich Campendonk. Der Maler wurde 1889 in Krefeld geboren und erhielt an der Werkkunstschule eine Ausbildung. Seine Wandbilder aus dem Jahr 1925 waren jahrzehntelang durch Tapeten verdeckt und erst 1989 wiedergefunden worden. 1997/98 wurden sie freigelegt und restauriert. Seitdem sind sie wieder zu sehen. Die beiden Bilder sind die letzten im Haus noch vorhandenen Reste von mehreren Campendonk-Arbeiten, die im Auftrag Richard Merländer angefertigt wurden.

Sie zeigen mehrere für Heinrich Campendonk typische Motive, die sich mit Darstellungen aus dem Leben Richard Merländers verbinden. Links im linken Bild ist z.B. das Dienstfahrzeug der Firma Merländer, Strauß und Co zu erkennen - der Fahrer wohnte direkt neben dem Auto unten im Haus. In der Mitte in diesem Bild sind drei katzenähnliche Tiere, die gleichzeitig wild und verspielt aussehen. Besonders die Farben erinnern an die enge Beziehung zwischen Heinrich Campendonk und Franz Marc, einem Künstlerfreund aus der Gruppe „Der blaue Reiter“, mit dem Heinrich Campendonk in Bayern sehr eng zusammenarbeitete. Ein Billardtisch weist auf den ursprünglichen Zweck des Raumes als Spielzimmer Richard Merländers hin; genau wie die Karten, Würfel und das Schachbrett auf der gegenüberliegenden Wand.

Dort wird auch das Thema Variete und Zirkus dargestellt: mit einem missmutig schauenden Clown, der auf den Händen steht, einer Reiterin auf rotem Pferd und einer flügelschlagenden Gans auf heißem Eisen. Die Mitte dieses Bildes ist vergleichsweise ruhig. Eine Vase mit Sonnenblumen steht auf einem mit Einlegearbeiten geschmückten Tisch. Beide Bilder sind überraschend bunt. Campendonk suchte auch die Farben für den Rest der Wände, Boden und Decke aus, so dass der ganze Raum ein Kunstwerk ist, in das man hineingehen kann. Heinrich Campendonk (geboren 1889) war seit 1911 Mitglied der Künstlergruppe „Der blaue Reiter“. Nach dem sich die Gruppe aufgelöst hatte, kehrte er 1922 in seine Heimatstadt Krefeld zurück.

Der Düsseldorfer Mäzen Paul Multhaupt hatte hier ein Haus für ihn bauen lassen. 1926 wurde Heinrich Campendonk Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf. Im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung der Hochschulen wurde er 1933/34 entlassen. Die Kunst Heinrich Campendonks galt den Nationalsozialisten als "entartet". Seine Bilder mussten aus den Museen entfernt werden, viele seiner Werke sind später durch Kriegseinwirkungen zerstört worden. Campendonk emigrierte in die Niederlande, wo er Professor an der Kunstakademie in Amsterdam wurde. Heinrich Campendonk starb 1957 in Amsterdam.

In der Villa Merländer finden heute Lesungen, Vorträge oder auch Konzerte statt, die an die Krefelder NS-Verfolgten erinnern. Das Sommerkleid mit gelben Sterm befindet sich in der Dauerausstellung "Krefeld und der Nationalsozialismus" der Dokumentationsstelle. Sie enthält ausschließlich Materialien, Fotos und Dokumente, die ursprünglich aus Krefeld stammen oder sich auf die Stadt beziehen.
Die Dokumentation beginnt mit den Ereignissen des Jahre 1933 und der Machtübernahme vor Ort. Im Flur sind Dokumente des Antisemitismus ausgestellt; in dem angrenzenden Raum geht es um die Veränderung des Alltagslebens (Aufmärsche und Paraden, Zwangsmitgliedschaften, Angebote für Kinder und Jugendliche, Rassismus, Verfolgung durch die Gestapo). Die ehemalige Garage Richard Merländers enthält Gedenktücher mit den Namen der ermordeten Krefelder Jüdinnen und Juden sowie Dokumente der Judenverfolgung. Dem Leben im Krieg und dem Kriegsende ist der letzte Raum gewidmet.

Von der Eingangshalle führt eine Steintreppe in das Obergeschoss, in dem Herrenzimmer, Speisezimmer, Küche und Wohnzimmer waren. Im ehemaligen Wohnzimmer ist die repräsentative Wand- und Deckenverkleidung erhalten, die Rückschlüsse auf den Lebensstil des Hausherrn zulässt. Die kleine Halle dient heute als Ort für Veranstaltungen mit Schülerinnen und Schülern. Es finden aber Vorträge und Diskussionen für Erwachsene statt und manchmal auch Konzerte. Durch eine Flügeltür geht es auf die ehemalige Veranda, die nach 1945 zum Wintergarten ausgebaut wurde. Erkennbar ist noch der alte Fußboden der ursprünglichen Veranda mit Treppe zum Garten. Der Wintergarten wird heute als kleiner Tagungsraum benutzt, bei Bedarf kann er zur Cafeteria umfunktioniert werden.
Im zweiten Obergeschoss befanden sich die weit weniger repräsentativen Privaträume Richard Merländers mit einer Zimmerflucht aus Badezimmer, Ankleideraum, Schlafzimmer und Frühstückszimmerchen. Heute sind hier Büros untergebracht, die natürlich nicht besichtigt werden können.

Im Keller sind noch die Reste des alten Luftschutzraumes zu sehen. Vor einigen Jahren wurden sie mit Gegenständen ausgestattet, die während des Krieges benutzt wurden, zum Beispiel eine Luftschutz-Hausapotheke.

Die pädagogische Arbeit bildet einen weiteren Schwerpunkt der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld. Ferner werden diverses Projekte wie z.B. Verlegung von Stolpersteinen von der Dokumentationsstelle durchgeführt.

Weitere Informationen unter: www.villamerlaender.de