Die Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ in Windeck-Rosbach

Anlässlich des 50. Jahrestags der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 hat der Rhein-Sieg-Kreis 1988 die Einrichtung einer Gedenkstätte beschlossen, die eine umfangreiche Dokumentation der jüdischen Geschichte und Kultur in dieser Region bietet. Gleichzeitig leistet sie einen Beitrag zur Erinnerungsarbeit und öffentlichen Auseinandersetzung mit dem verheerendsten Kapitel deutscher Geschichte. Hilde Seligmann stellte dazu das ca. 200 Jahre alte Haus ihres verstorbenen Schwiegervaters Max Seligmann zur Verfügung.

Das ehemalige Wohnhaus der Familie in der Bergstraße in Windeck-Rosbach wurde am 28. August 1994 seiner neuen Nutzung als Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ der Öffentlichkeit übergeben.Die Spuren der Familie Seligmann beginnen Anfang des 19. Jahrhunderts. Bereits 1811 ließ sich der Jude Seligmann Süßkind dort nieder, nahm im Zuge des Gesetzes zur Annahme fester Familiennamen 1846 den Namen „Seligmann“ an und hieß von nun an Seligmann Seligmann. Über seine Nachkommen Süßkind Seligmann (1812-1885) und Moses Seligmann (1853-1931) setzte sich die Ahnenreihe fort. Letzterer war maßgeblich an den Bestrebungen der Rosbacher Juden zur Gründung einer eigenständigen Synagogengemeinde beteiligt, die um 1880 im Bau der kleinen Synagoge mündeten.Moses Seligmann hatte vier Kinder. Siegmund (1877-1942), Maximilian (1880-1974), Wilhelm gen. Willi (1884-1942?) und Berta verh. Heumann (1884-1942?).

1919 erwarb er für Max und dessen Ehefrau Maria das Haus in der Bergstraße, das heute die Gedenkstätte beherbergt. Er starb 1931 noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, und so blieben ihm jene Leiden erspart, die seine Nachkommen mit aller Härte trafen.Als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, verdiente Max Seligmann als Altwarenhändler und Zeitungsbote den Lebensunterhalt für sich und seine Familie. Er war der einzige Nachkomme von Moses Seligmann, der zusammen mit seiner Frau Maria – einer Christin, die nach ihrer Eheschließung zum Judentum übertrat – der nationalsozialistischen Verfolgung entrinnen konnte, da sie nach den Nürnberger Rassegesetzen als „rassische Mischehe“ eingestuft wurden. Daher konnte sie zunächst in ihrem Haus in Rosbach verbleiben. Nach seiner Verhaftung im Zuge der Pogromnacht 1938 und der folgenden sechswöchigen Inhaftierung in Dachau kehrte Max in sein Heimatdort Rosbach zurück, wo er allerdings seinem Gewerbe als Altwarenhändler nicht mehr nachgehen durfte und sich daher als Gelegenheitsarbeiter durchschlug.Im Zuge der Maßnahmen gegen Mischehen aus Köln und Umgebung im Herbst 1944 wurden Max und Maria Seligmann am 10. September 1944 verhaftet und zunächst im Internierungslager Fort V in Köln-Müngersdorf inhaftiert, wo sie bis Ende September verblieben. Von dort wurden sie in die Zwangsarbeiterlager Zeitz und Lockwitz überführt. Am 29. November erfolgte die Entlassung von dort, und die Seligmanns kamen nach Rosbach zurück. Da ihnen dort aber die erneute Verhaftung drohte, versteckten sie sich zunächst bei einem Bruder von Maria Seligmann im nahe gelegenen Ort Dreisel, um dann vom 15. Dezember 1944 bis Ende März 1945 bei einem Bekannten von Max Seligmann in Auermühle (Kreis Altenkirchen) unterzutauchen.

Mit dem Heranrücken der Amerikaner kehrte das Ehepaar in sein Haus in Rosbach zurück.Von den fünf Kindern von Max und Maria Seligmann, die das Erwachsenenalter erreichten, verließ der älteste Sohn Alfred (1909-1974) zusammen mit seiner Ehefrau Hilde, geb. Minkel (1918-1996) Ende Oktober 1938 Deutschland und ging nach Argentinien ins Exil. Erst wenige Monate zuvor hatte er in Mainz-Weisenau die von dort stammende Hilde geheiratet. In Argentinien wurden ihre Tochter und die zwei Söhne geboren. Bis 1957 blieb die Familie in Escobar und schuf sich dort eine neue Existenz. Im November kehrten Alfred und Hilde mit den beiden Söhnen nach Rosbach in das Elternhaus an der Bergstraße zurück. 1961 verlegten sie gemeinsam mit den Söhnen ihren Wohnsitz nach Bonn. Die betagten Eltern blieben in ihrem Haus in Rosbach, wo Maria am 29. März 1971 starb. Max Seligmann, inzwischen 91 Jahre alt, verbrachte seine letzten Jahre in einem Bonner Altenheim und starb dort am 19. Mai 1974.

In neun Räumen des zweigeschossigen Fachwerkhauses und der originalgetreu eingerichteten Werkstatt werden Religion und Kultur, Arbeit und Alltag, aber auch Verfolgung und Vernichtung der ehemals in der Siegregion lebenden Juden dokumentiert. Ein eigens erstelltes Veranstaltungsgebäude bietet Platz für Veranstaltungen und die Arbeit mit Schulklassen und anderen Gruppen.

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