Eine Collage mit 1. einer Säule mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes auf Deutsch und Jiddisch, 2. einem Protest gegen Judenhass und Menschenfeindlichkeit sowie 3. einem Polizeiauto.

Antisemitismus

Antisemitismus ist eine Praxis, die mit Worten und Taten diskriminiert, verfolgt und in letzter Konsequenz physisch verletzt und tötet. Antisemitismus manifestiert sich auf vielfältige Weise, durch beleidigende und herabwürdigende Bemerkungen im privaten oder öffentlichen Raum, vermeintliche „Witze“, Graffiti, Flugblätter, Slogans bei Demonstrationen, Sachbeschädigungen, Diskriminierungen oder Bedrohungen bis hin zu gewalttätigen Angriffen. Antisemitismus ist eine antimoderne, antidemokratische und in seiner Form einzigartige Weltanschauung. Er basiert nicht auf dem Judentum und seiner Geschichte, sondern auf Vorstellungen über „die Juden“.

Mit diesem Themenspecial und den Factsheets und FAQs wollen wir Ihnen wesentliche Informationen zu verschiedenen Aspekten des Themas „Antisemitismus“ bereitstellen. Außerdem präsentieren wir Ihnen Publikationen, Medien und Projekte zu diesem Thema.

Einige Präventions-, Dialog- und Bildungsangebote aus NRW zum Thema Antisemitismus haben wir für Sie unter Antisemitismus begegnen zusammengestellt.

Veröffentlichung:  April 2024
Letzte Aktualisierung: April 2024

Was ist Antisemitismus?

Schon seit Jahrhunderten werden Jüdinnen und Juden Eigenschaften unterstellt, die die Verachtung und den Hass legitimieren sollen. Dazu gehören Geldgier, Boshaftigkeit und die Schuld, für die Übel der Welt, für alles Schlechte verantwortlich zu sein.

Der Begriff Antisemitismus ist eine Wortneuschöpfung aus dem 19. Jahrhundert. Heute bezeichnet er alle Erscheinungsformen der Judenfeindschaft:

Zitat

„Die Wortbildung Antisemitismus basiert auf sprachwissenschaftlichen und völkerkundlichen Unterscheidungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts […]. Aus den indoeuropäischen und semitischen Sprachfamilien schloss man auf die Existenz entsprechender Rassen, also der Semiten und der Indogermanen oder Arier zurück, wobei sich dabei eine Begriffsverengung auf die Juden einerseits, auf die Germanen andererseits beobachten lässt. Insofern geht der heute oft zu hörende Einwand, es könne per definitionem keinen arabisch-islamischen Antisemitismus geben, da die Araber selber Semiten sein, an der Sache vorbei, da mit Antisemitismus ausschließlich judenfeindliche Einstellungen und Handlungen gemeint sind“. (Quelle: Prof. Dr. Werner Bergemann: „Was heißt Antisemitismus?“, BpB , zuletzt eingesehen am 01.03.2024)

Eine einheitliche, allgemeinverbindliche Definition von Antisemitismus existiert nicht. Die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) hat eine Arbeitsdefinition Antisemitismus verabschiedet, die 2017 auch von der deutschen Bundesregierung angenommen wurde und ebenfalls Arbeitsgrundlage der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist. Sie lautet im Kern:

Zitat

"Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen".

Die IHRA-Arbeitsdefinition bildet die vielen verschiedenen Facetten des Antisemitismus ab und zeigt an konkreten Beispielen auf, wie sich dieser äußern kann. Sie betont in den weiterführenden Erläuterungen: „Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten”, und beschreibt konkret, wie dieser israelbezogene Antisemitismus aussieht.

Diese Arbeitsdefinition soll als eine Richtschnur zum Beispiel bei Straftaten oder in Bildung und Schule gelten. Allerdings ist sie rechtlich nicht bindend. Die EU-Kommission hat 2021 ein Handbuch veröffentlicht, welches diese Definition genauer erläutert.

Welche Formen von Antisemitismus gibt es?

Antisemitismus ist in allen gesellschaftlichen und politischen Spektren zu finden. Antisemitismus drückt sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen aus. Die Antisemitismusforschung unterscheidet beispielsweise zwischen Antijudaismus, modernem Antisemitismus, Schuldabwehr-Antisemitismus und israelbezogenem Antisemitismus. Darüber hinaus finden auch Begriffe wie linker oder islamischer sowie rassistischer Antisemitismus Verwendung.

In der Praxis lassen sich die verschiedenen Formen nicht immer klar unterscheiden, weil sie auch miteinander verwoben auftauchen. Während Antijudaismus die christlich begründete religiöse Judenfeindschaft meint, bezeichnen die anderen Begriffe Artikulationsformen moderner, nicht mehr vornehmlich religiös begründeter Judenfeindschaft.

Der moderne Antisemitismus greift dabei Bilder des Antijudaismus auf und aktualisiert diese. Er bildete sich im Laufe des 19. Jahrhunderts. Die Nationalsozialisten radikalisierten ihn. Ihren Vernichtungsantisemitismus setzten sie während des Zweiten Weltkriegs in die Tat um und ermordeten bis 1945 sechs Millionen Jüdinnen und Juden in ganz Europa.

Was unterscheidet Antisemitismus von Rassismus?

Antisemitismus ist nicht einfach eine Form von Diskriminierung neben anderen, auch wenn es zum Beispiel zwischen Rassismus und Antisemitismus Überschneidungen und Verknüpfungen gibt.

Es handelt sich beim Antisemitismus um ein spezifisches Phänomen: eine antimoderne Weltanschauung, die in der Existenz „der Juden“ die Ursache sozialer, politischer, religiöser und kultureller Probleme sieht. Entsprechend wurden und werden bestimmte moderne politische Strömungen und Ordnungen (Liberalismus, Kommunismus, Demokratie, übernationale Organisationen) oder wirtschaftliche Entwicklungen (Finanzkapitalismus, Globalisierung) als Erfindungen eines „jüdischen Geistes“ betrachtet, die den anderen Nationen als etwas Fremdes aufgezwungen werden.

Anders als bei rassistischer Diskriminierung, die „die Anderen“ als minderwertig darstellt, werden Jüdinnen und Juden im Antisemitismus nicht nur als minderwertig, sondern zugleich als übermächtig und überlegen vorgestellt.

"Was ist Antisemitismus?" als Download

Autor: Jannis Stenzel


Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus (LKS) in Nordrhein-Westfalen wurde 2008 eingerichtet. Als Stabsstelle im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen übernimmt sie eine koordinierende Funktion für präventive Maßnahmen des Landes gegen Antisemitismus.

Die Landeskoordinierungsstelle fördert Angebote, die Handlungssicherheit im Umgang mit moderner Judenfeindschaft vermitteln und baut dieses Handlungsfeld weiter aus.

Mehr dazu auf der Website der LKS.

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