Grafik einer Person am Laptop, einer Wahlurne, Symbolen für Abstimmungen und Internet

Online-Bürgerbeteiligung verstehen

"Online-Bürgerbeteiligung" - was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Im ersten Teil unseres Specials erfahren Sie mehr zu grundlegenden Begriffe und verschiedenen Aspekten von Online-Partizipation. Außerdem zeigen wir die Vorteile und Herausforderungen solcher Prozesse auf.

Was ist Online-Beteiligung?

Immer mehr in unserer Gesellschaft geschieht online – Shopping, Info-Recherche, Kommunikation. Natürlich bleiben auch Politik und Verwaltung davon nicht unberührt – und die Online-Beteiligung hat ihren Platz darin.

Über allem steht der Sammelbegriff E-Government, unter dem alle digitalen und internetbasierten Aktivitäten und Möglichkeiten zusammengefasst werden, die öffentliche Verwaltung und demokratische Teilhabe betreffen. Dabei geht es einerseits um digital verfügbare Informationen und Behördenangelegenheiten für die Bürger und Bürgerinnen (E-Administration) sowie andererseits um Einflussnahme und Mitgestaltung bei konkreten Entscheidungen der Politik (E-Demokratie).

Unter E-Demokratie versteht man einerseits E-Wahlen, also die elektronische Stimmangabe, und – da ist sie auch schon – die Online-Bürgerbeteiligung: Diese umfasst alle Aktivitäten und Optionen der digitalen und onlinegestützten Beteiligung der Bürger an politischen Prozessen und Entscheidungen.

Online-Bürgerbeteiligung in drei Varianten

Schauen wir noch etwas genauer hin – es gibt nämlich verschiedene Arten der Online-Bürgerbeteiligung:

  • Formelle Online-Beteiligung: Das sind Verfahren, in denen die Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu Planungsunterlagen und Materialien bietet und auch ermöglicht, dass Feedback an die Verwaltung zurückgemeldet werden kann. Diese Verfahren findet man besonders häufig bei Stadtentwicklung und Bauplanung. Sie sind wie gesagt formell und besitzen verbindlichen Charakter. Das Ergebnis solcher formeller Online-Beteiligung resultiert also in konkrete Umsetzungen.
  • Informelle Online-Verfahren: Bei informellen Verfahren geht es um den Austausch von Ideen und Argumenten – im Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerinnen und Bürgern. Wenn alle drei dabei sind, wird das auch hübsch „Trialog“ genannt. Themen sind z.B. die Haushaltsplanung oder die Umgestaltung von öffentlichen Plätzen in einer Kommune. Diese Verfahren sind flexibler, ergebnisoffener und unverbindlicher. Das Resultat muss also nicht unbedingt eine konkrete politische Maßnahme sein.
  • Bottom-up Verfahren: Werden die zuvor genannten Verfahren immer von der Verwaltung angestoßen, sind es bei „Bottom-up“-Verfahren die Bürgerinnen und Bürger, die die Initiative ergreifen: Sie erstellen z.B. Internet-Portale, um sich zu eigenen Ideen auszutauschen und Projekte umzusetzen.  Diese Verfahren haben keinen verbindlichen Charakter. Sie dienen vielmehr dazu, auf aktuell drängende Themen aufmerksam zu machen und Menschen mit ihren Ideen und ihrem Engagement zusammenzubringen.

Gute Gründe für Online-Beteiligung

Informieren, Einmischen und Mitgestalten – das gehört wie selbstverständlich zur Demokratie dazu. Gerade wenn es um politische Entscheidungen geht, die einen selbst, den eigenen Alltag oder die eigene Umgebung betreffen. Mal davon abgesehen, das „miteinander reden“ immer eine gute Idee ist ‑ Bürgerbeteiligung hilft allen: der Politik, die so genauer mitbekommt, wo den Bürgerinnen und Bürgern „der Schuh drückt“, der Verwaltung, die bei der Umsetzung von Projekten gezielter und mit mehr Rückhalt in der Bevölkerung vorgehen kann, und natürlich den Bürgerinnen und Bürgern selber, die das Ergebnis nach Ihren Vorstellungen beeinflussen können. Alles zusammen führt zu mehr Akzeptanz und Zufriedenheit auf allen Seiten – im Idealfall … Natürlich gilt das unabhängig davon, ob die Beteiligung online oder offline stattfinden.

Gute Gründe für Online-Beteiligung

a) Es werden verschiedene Bedürfnisse, Positionen und Sorgen sichtbar, mögliche Lösungen können für alle nachvollziehbar diskutiert werden.

b) Alle Beteiligten können ihr Wissen, ihre Kompetenzen und ihre Erfahrungen einbringen.

c) Neue und bürgerrelevantere Ideen und Vorschläge können entstehen.

d) Maßnahmen können von direkt betroffenen Bürgerinnen und Bürgern kritisch betrachtet werden, was die spätere Zustimmung verbessert.

e) Mögliche Probleme und Konflikte können frühzeitig erkannt und Lösungen besprochen werden.

f) Die Bürgerinnen und Bürger erhalten durch ihre aktive Rolle eine höhere Wirkungskraft, was zu einem insgesamt fundierteren Entscheidungsprozess und passenderen Ergebnissen führen kann.

g) Die Bürgerinnen und Bürger können ihr Wissen und ihre Kompetenzen vielfältig erweitern – sowohl in Bezug auf das Sachthema als auch auf politische Entscheidungsprozesse im Allgemeinen.

h) Die Beteiligten haben die Chance, auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch zu kommen.

i) Das Vertrauen unter den Beteiligten (Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung und Politik) wird im Idealfall gestärkt.

j) Vorausgesetzt, dass sich alle Beteiligten respektiert fühlen, führt die Beteiligung zur stärkeren Anerkennung der gemeinsamen Entscheidungen.

a) Alle relevanten Inhalte befinden sich an einem Ort und sind für alle zugänglich.

b) Umfassende Informations-, Kommunikations- und Beteiligungsplattformen entstehen.

c) Alle Informationen und Prozesse können vereinfacht und mit Bildern, Grafiken oder Erklärfilmen erläutert werden.

d) Die Möglichkeiten sich zu informieren, an Diskussionen oder Abstimmungen teilzunehmen oder eigene Aspekte einzubringen ist orts- und zeitunabhängig.

e) Die eigenen Aktivitäten können sofort sichtbar gemacht und somit die Reaktionszeiten für die Bürger und Bürgerinnen reduziert werden.

f) Die Zugangsbarrieren sind niedriger, weil Menschen sich nicht offen zeigen müssen.

g) Die Reichweite kann erhöht und so vor allem jüngere Menschen erreicht werden.

h) Es besteht weniger Aufwand als bei lokalen Versammlungen. Die Kosten sind niedriger.

i) Mehr Interaktionen sind möglich.

j) Strukturierte Debatten und transparente Dialoge werden einfacher.

k) Sowohl geschlossene Kreise, aber auch die Öffentlichkeit kann eingebunden werden.

l) Andere Medien können eingesetzt und somit zusätzliche Kommunikationswege eröffnet werden.

m) Die Auswertung kann vereinfacht werden, z.B. durch die Nutzung von Online-Fragebögen mit anschließender automatischer Aufbereitung.

Mögliche Herausforderungen für Online-Beteiligung

Ein bestimmter Anteil der Bürgerinnen und Bürger wird – unabhängig davon, welche Verfahren angewendet werden – nicht teilnehmen; weil sie nicht können oder wollen. Damit werden ihre Interessen auch nicht vertreten. Die am Ende entwickelten Ideen könnten unter diesen Umständen wichtige Aspekte nicht berücksichtigen, weil diese im Beteiligungsprozess nicht geäußert wurden.

Für die Teilhabe an Online-Formaten werden Medienkompetenz und passende technische Geräte bei den Bürgerinnen und Bürgern benötigt. Das schließt manche Menschen aus.

Medienkompetente und mit Online-Anwendungen vertraute Personen bringen sich und ihre Interessen in besonderem Maße ein, sodass diese Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern ein starkes Gewicht bekommen und andere Ideen oder Ansichten überlagern könnten.

Je mehr unterschiedliche Meinungen und Ideen zusammengetragen werden, umso komplexer wird die Umsetzung. Die dann formulierten Kompromisse können zu Enttäuschung bei den Einzelnen führen oder einen Umsetzungsprozess in die Länge ziehen.

Die Einbindung von digitalen Tools und Online-Plattformen erfordert eine funktionierende Technik und viel Personal für die Betreuung. Werden solche Online-Angebote nicht gepflegt, kann dies schnell zu Frustration auf der Nutzerseite führen.

Wo findet Bürgerbeteiligung statt?

Überall!

Genauer: Bürgerbeteiligung findet auf allen politischen Ebenen statt. Es gibt fest verankerte Verfahren für die Beteiligung in Kommunen, in den Bundesländern, im Bund und auf europäischer Ebene. Die meisten Verfahren finden allerdings auf kommunaler Ebene statt (siehe dazu auch unsere Best Practice-Beispiele). Auch viele zivilgesellschaftliche Akteure und Organisationen (z.B. NGOs oder Verbände) stoßen Bürgerbeteiligungsprojekte an.

Erste Formen der Online-Bürgerbeteiligung wurden bereits mit der Verbreitung des Internets in den 1990ern sichtbar. Zunächst standen kommunale Projekte im Vordergrund: Diese waren meistens auf Online-Konsultationen, also Beratungen, fokussiert. Ab Mitte der 2000er kamen zunehmend bundesweite elektronische Petitionssysteme hinzu; 2005 wurde die E-Petitionsplattform des Deutschen Bundestages eingeführt und ebnete vielen anderen Beteiligungsplattformen den Weg.
Erst in den letzten zehn Jahren wurden jedoch breitflächig Beteiligungsstrukturen etabliert, in denen Bürgerinnen und Bürger sich interaktiv auf verschiedene Art und Weise informieren und aktiv einbringen können. Mit dem Kölner Online-Bürgerhaushalt in 2007 wurde ein großangelegtes Beteiligungsverfahren umgesetzt, das für viele andere Kommunen als Vorbild galt.

Eine Übersicht findet sich hier:
Website des Wegweisers Bürgergesellschaft

Bürgerbeteiligung bei welchen Themen?

Bürgerbeteiligung gibt es zu sehr unterschiedlichen Themen. Alle Themen vereint, dass sie sich auf das Zusammenleben, auf das Miteinander in unserer Gesellschaft beziehen.
Klassiker bei den Beteiligungs-Themen sind:

  • Stadtplanung,
  • Haushaltsplanung („Bürgerhaushalt“),
  • Umwelt- und Naturschutz,
  • Familie, Kinder und Jugend,
  • Migration und Integration,
  • Digitalisierung.

Weitere Informationen finden Sie hier:
Website des Wegweisers Bürgergesellschaft

Die Mischung macht's: Wie wird Beteiligung organisiert?

Heutzutage ist Online-Bürgerbeteiligung weit verbreitet – zu vielen Themen und auf allen Ebenen, egal, ob Kommune, Land, Bund oder EU. Um die Beteiligung erfolgreich durchzuführen, werden viele unterschiedliche Methoden eingesetzt, oft auch kombiniert.
Besonders erfolgreich waren bisher solche Beteiligungsverfahren, die als Mix aus Vor-Ort-Veranstaltungen und Online-Elementen gestaltet wurden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass reine Online-Verfahren die Menschen nicht so stark involvieren.
Online-Tools glänzen, wenn etwa Daten veranschaulicht und Informationen komfortabel zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein großer Vorteil ist auch, dass über das Internet orts- und zeitflexibel Abstimmungen und Bewertungen erfolgen können – hier kommen z.B. digitale Beteiligungs-Apps (u.a. DEMOCRACY App) und Online-Plattformen (u.a. die Dialogzentrale von Zebralog oder Adhocracy von Liquid Democracy) zum Einsatz. Solche Tools ermöglichen auch, politische Arbeit und Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten.
Neue Ideen und Konzepte werden allerdings weiterhin eher im direkten Austausch bei Vor-Ort-Veranstaltungen ausgehandelt.

Folgende Webseiten geben einen Überblick zu Methoden, die häufig für Bürgerbeteiligungsverfahren eingesetzt werden:
Website des Wegweisers Bürgerbeteiligung zu Methoden und Verfahren
Website des Beteiligungskompass
Website des Wegweisers Bürgerbeteiligung zur Zukunft der Bürgerbeteiligung

Quellenübersicht