Zwei Personen nutzen ihre Smartphones. App-Symbole im Hintergrund

Fair bleiben in sozialen Netzwerken & Co.

Zum Download in der Mediathek (CC BY-SA 4.0)

Der Austausch im Netz hat viele Vorteile. Wir können eigene Ideen äußern, Missstände öffentlich machen oder Unterstützung finden. Aber in Online-Diskussionen herrscht ein raues Klima, sie eskalieren oft. Was können wir für ein faires Miteinander tun?

tl;dr* - Das Wichtigste, ganz kurz

Worum geht es?

  • Im Netz können alle eigene Anliegen äußern.
  • Die Mechanismen in sozialen Netzwerken fördern Missverständnisse.
  • Hass und „Trolle“ verhindern oft eine sachliche Auseinandersetzung.

Was können wir tun?

  • Respektvoll und verantwortungsbewusst kommunizieren.
  • Kritisch bleiben.
  • Eintreten für Verbesserungen seitens der Plattformen.

*tl;dr steht für „too long, didn’t read” („zu lang, habe ich nicht gelesen“)

Worum geht es?

Kommunikation im Netz funktioniert anders als offline. Sie hat viele Vorteile: Jede und jeder kann mit eigenen Anliegen an die Öffentlichkeit gehen, Ideen äußern und auf Missstände aufmerksam machen. Soziale Netzwerke ermöglichen den Austausch mit Menschen, die uns anderswo nie begegnen würden. Hier können wir Gleichgesinnte finden und Unterstützung mobilisieren.

Andererseits bringt Kommunikation im Netz offensichtliche Probleme mit sich: In den sozialen Netzwerken herrscht ein raues Klima. Wer etwas vermeintlich "Falsches" oder auch nur Unbeliebtes sagt, erntet sehr schnell einen Shitstorm. Viele werden sogar Zielscheibe von Hassbotschaften. Sogenannte Trolle mischen sich in Diskussionen ein und verhindern eine sachliche Auseinandersetzung. Wie kommt das?

Es gibt mehrere Faktoren, die dazu führen, dass Kommunikation im Netz schneller eskaliert.

  • Die Anonymität in Netz senkt die Schwelle, Grenzen zu überschreiten. Andere werden nicht in gleichem Maße als gleichwertiges Gegenüber wahrgenommen wie im persönlichen Gespräch.
  • Schriftliche Kommunikation und verkürzte Botschaften in sozialen Netzwerken sorgen für Missverständnisse.

Hinzu kommen Mechanismen von sozialen Netzwerken, die durch die Geschäftsmodelle der Plattformen bestimmt werden: Zugespitzte Äußerungen werden belohnt. Egal ob „Likes“ oder wütende Kommentare: Reaktionen sorgen dafür, dass die Äußerung mehr Nutzerinnen und Nutzern angezeigt wird. Gleichzeitig werden Verfasserinnen und Verfasser benachrichtigt.

Das ist grundsätzlich sinnvoll, denn viele Reaktionen auf eine Äußerung sprechen dafür, dass sie als wichtig empfunden wird. Darüber hinaus haben die Plattformanbieter ein finanzielles Interesse daran, dass ihre Nutzerinnen und Nutzer möglichst viel miteinander interagieren – selbst, wenn sie sich streiten oder beleidigen. Denn das erhöht die Verweildauer auf der Plattform und liefert Daten über Nutzerinnen und Nutzer. Beides bringt Geld - denn so wird der Verkauf von effektiv platzierter Werbung möglich.

"Trolle" und Verschwörungsmythen: Frust als Risikofaktor

Wenn Personen mit ihren Beiträgen im Netz viele Reaktionen ernten, wird das als bestärkend empfunden. Vor allem, wenn es an empfundener Selbstwirksamkeit mangelt. Das kann sogar der Fall sein, wenn die Reaktionen überwiegend ablehnend ausfallen. Frust im realen Leben kann durch scheinbar große Macht und Wirksamkeit im Netz kompensiert werden.

Das ist ein Risikofaktor bei der Entwicklung der eigenen Online-Persönlichkeit. Sie kann sich von der Persönlichkeit in der realen Welt lösen. Manche Menschen verhalten sich dann unter Umständen im Netz so, wie sie es in der realen Welt nicht tun würden. Sie überschreiten Grenzen oder werden zu „Trollen“. Manche Nutzerinnen und Nutzer werden in ihrer Online-Identität zu Aktivisten. Sie überschätzen ihre eigenen Recherche-Fähigkeiten und verlieren gleichzeitig den Respekt vor Fachleuten und „Mainstream-Medien“ – finden aber mithilfe sozialer Netzwerke dennoch ein Publikum.

Auf diese Weise können die Funktionen von sozialen Netzwerken in Verbindung mit psychologischen Mechanismen dazu beitragen, dass sich Fake News und Verschwörungsmythen verbreiten.

Was wir selbst tun können

Damit digitale Kommunikation einen positiven Beitrag leisten kann, muss ein offenes und faires Miteinander im Netz möglich sein. Das liegt nicht nur im Interesse der Menschen, die soziale Netzwerke für persönliche Anliegen nutzen, sondern auch im Interesse einer demokratischen Gesellschaft. Alle Nutzerinnen und Nutzer sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein.

  1. Andere respektieren. Das ist nicht mit kritikloser Akzeptanz zu verwechseln!
  2. Die Leistung anderer wertschätzen. Die allermeisten Menschen haben gute Absichten, wenn sie sich in sozialen Netzwerken äußern. Medienschaffende und Fachleute betreiben großen Aufwand, um sich in die Themen einzuarbeiten, über die sie schreiben und sprechen.
  3. Tolerant sein gegenüber Irrtümern und Fehlern.
  4. Unterschiedliche Perspektiven anerkennen. Bedürfnisse und Wahrnehmungen können sich unterscheiden.

Video: "Das Problem mit wissenschaftlichen Studien"

Wer kennt die Wahrheit? In vielen hitzigen Online-Diskussionen berufen sich beide Seiten auf wissenschaftliche Studien und versuchen damit zu belegen, dass sie richtig liegen. Zu einem konstruktiven Austausch gehört, Quellen aller Art kritisch zu betrachten. Wer ernsthaft um Wahrheit bemüht ist, muss auch anerkennen, dass es Studien unterschiedlicher Qualität und sogar käufliche Wissenschaft gibt.

Wissenschaftsjournalismus ist hilfreich, um Veröffentlichungen einzuordnen und gegebenenfalls ihre Qualität zu bewerten. Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim nimmt sich in einem YouTube-Video dem Problem auf unterhaltsame Weise an. Auf der Videoplattform ist sie als maiLab bekannt.

Zum Video

Was können die Plattformen besser machen?

In den vergangenen Jahren hat der Druck auf die Unternehmen zugenommen, gegen Probleme wie Fake News und Hassbotschaften vorzugehen. Es gibt eine Reihe von Lösungsansätzen.

Häufig wird gefordert, dass Plattformen die Inhalte prüfen und moderieren, die von ihren Nutzerinnen und Nutzern verbreitet werden. Facebook zum Beispiel arbeitet in einigen Ländern mit externen Organisationen zusammen, um Falschmeldungen zu erkennen, zu kennzeichnen und gegebenenfalls zu entfernen.

Im Umfeld der US-Präsidentschaftswahl 2020 sorgte der Umgang der großen Plattformen mit Fake News für großes Aufsehen. Facebook und Twitter kennzeichneten mehrere Behauptungen des damals noch amtierenden Präsidenten Donald Trump zu den Wahlergebnissen als falsch.

Auch in Deutschland sind die Fact Checking-Bemühungen der großen Plattformen sichtbar, vor allem bei Informationen zum Coronavirus. (mehr dazu bei sueddeutsche.de)
In Deutschland zielt außerdem ein Gesetz darauf, die Plattformanbieter zu einem wirksamen Vorgehen gegen Hassbotschaften und andere illegale Inhalte zu verpflichten. Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wurde 2017 erlassen und zuletzt 2021 angepasst.

Streit um die Content-Moderation

Klar ist, dass Hass und Fake News schädlich sind. Doch die Prüfung von Inhalten ist umstritten. Einerseits wird kritisiert, dass zum Beispiel die Faktenprüfung von Facebook nicht ausreiche. Zum einen ist die Menge der Inhalte kaum zu bewältigen. Zum anderen wird bezweifelt, ob die Unternehmen bereit sind, genug zu tun. Facebook-Gründer Marc Zuckerberg sagt zwar, es gebe Grenzen, die niemand überschreiten dürfe. Doch er ist dagegen, die Aussagen von Politikerinnen und Politikern zu prüfen. Dies sein ein sehr sensibles Thema in einer Demokratie (siehe Bericht von CNBC über ein Gespräch mit Zuckerberg). Damit steht Zuckerberg selbstverständlich nicht allein – Faktenprüfung darf nicht missbraucht werden, um legitime Meinungen zu unterdrücken. Doch die Grenzen sind schwer zu ziehen.