Das Schofar und zwei Löwen als einzige Überreste jüdischen Lebens: Gedenkstätte Frenkel-Haus in Lemgo

Ein besonderes Objekt in der Ausstellung des Frenkel-Hauses ist das alte Widderhorn, das „Schofar“. Die Töne, die der Schofarbläser damit produziert, sind überraschend laut und auch nicht immer wohlklingend, und es stellt sich die Frage nach dem Sinn dieses Rituals.

Die Gedenkstätte Frenkel-Haus hat für die Alte Hansestadt Lemgo eine besondere Bedeutung. Mitten im Stadtzentrum erinnert sie an die Geschichte der Jüdinnen und Juden, die über Generationen in der Stadt gelebt haben, und an ihre Verfolgung und Ermordung in den Jahren der NS-Herrschaft. Zugleich ist die Gedenkstätte ein Ort der Begegnung, der Erinnerung und des Gesprächs.

Die Dauerausstellung der Gedenkstätte hat einen biographischen Schwerpunkt. Bei dem Haus handelt es sich um das frühere Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Familie Frenkel. Sie hat bis zur Deportation am 28. Juli 1942 in diesem Haus mitten im Stadtzentrum gelebt. Nur zwei der acht deportierten Familienmitglieder haben den Holocaust überlebt: Karla Raveh, geb. Frenkel, und ihre Großmutter Helene Rosenberg.

Karla Raveh wurde 1942 mit ihren Eltern, ihren drei Geschwistern und ihren beiden Großmüttern in das Ghetto Theresienstadt deportiert. 1944 erfolgte der Transport der Familie in das Konzentrationslager Auschwitz. Karla Raveh kehrte nach Ende des Zweiten Weltkriegs und ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager für kurze Zeit zurück in das Haus in Lemgo. 1949 wanderte sie zusammen mit ihrem Ehemann Szmuel Raveh, den sie in Lemgo kennengelernt hatte und dessen Namen sie nach der Heirat annahm, nach Israel aus.

Mit ihrer Auswanderung geriet die Geschichte der Familie Frenkel in Lemgo weitgehend in Vergessenheit. Die Erinnerung kehrt in den 1980er Jahren zurück. Mit ihrem Buch „Überleben. Der Leidensweg der jüdischen Familie Frenkel aus Lemgo“ hat Karla Raveh 1986 an die Schicksale ihrer Eltern, Geschwister und Großeltern erinnert. Auf Anregung der Lemgoer Lehrerin Hanne Pohlmann schrieb Karla Raveh ihre Lebenserinnerungen auf. Sie diktierte ihrem Mann Szmuel Raveh den Text, der ihn mit einer alten Schreibmaschine tippte. An Hanne Pohlmann schrieb Karla Raveh in dieser Zeit: „Wie ich schon schrieb sind meine Erinnerungen bestimmt lückenhaft, was ja zu verstehen ist, aber ich habe ,frisch von der Zunge weg‘ geschrieben, ich mußte es schnell machen, dies war keine leichte Zeit für uns, es zerrte an den Nerven.“

Als Reaktion auf die große Resonanz, die das Buch gefunden hat, wurde im November 1988 im Erdgeschoß des Hauses in zwei Räumen die Gedenkstätte eröffnet. Kurz zuvor hatte bereits eine Veranstaltungsreihe „Juden in Lemgo – Vergessene Bürger?“ für große Aufmerksamkeit gesorgt.

Im Hinterhaus Echternstraße 70a befindet sich das Atelierhaus des Stipendiums Junge Kunst der STAFF Stiftung Lemgo und der Alten Hansestadt Lemgo. Das Stipendium wird seit 1987 im Rahmen eines Wettbewerbs an eine bildende Künstlerin oder einen bildenden Künstler vergeben. Teilnehmen können junge Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Malerei, Grafik, Skulptur und Fotografie, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben und nicht älter als 35 Jahre sind.

Seit 1987 kehrte Karla Raveh regelmäßig für einige Monate in ihr Elternhaus in der Echternstraße zurück. Seit Eröffnung der Gedenkstätte hatte sie eine kleine Wohnung im Obergeschoß. Seit dieser Zeit engagierte sie sich als Zeitzeugin, die das Gespräch mit Schülerinnen und Schülern ebenso wie die Begegnung mit Erwachsenengruppen suchte. Ihr war es wichtig, die Erinnerung an die verfolgten und ermordeten Jüdinnen und Juden aus Lemgo und Lippe wachzuhalten. Durch diese Entscheidung bekam das Frenkel-Haus sein ganz besonderes Profil: Es wurde ein Ort des Erzählens und Zuhörens, des Erinnerns und der Begegnung.

Im Jahre 1988 erhielt Karla Raveh die Ehrenbürgerschaft der Stadt Lemgo. Als Anerkennung für ihr Engagement trägt seit 1997 die Gesamtschule des Kreises Lippe in Lemgo den Namen „Karla-Raveh-Gesamtschule“. Seit dieser Zeit gab es eine besonders enge Verbindung zwischen Schule, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und Karla Raveh. Im Jahr 2003 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Im Mai 2017 feierte sie in Lemgo ihren 90. Geburtstag, zusammen mit vielen Gästen. Nur zwei Wochen später starb sie in Lemgo. Die Beerdigung fand in ihrer israelischen Heimatstadt Tivon statt.

Nach mehr als zwanzig Jahren ist die Ausstellung im Jahre 2012 grundlegend umgestaltet worden. Die biographische Ausstellung erzählt in den ehemaligen Wohnräumen die Geschichte der jüdischen Familie Frenkel in Lemgo, von der Zuwanderung im Jahre 1862 bis zur Deportation im Jahre 1942. Die Familie war in die Stadtgesellschaft integriert. Die Männer waren etwa Mitglieder im Schützenverein oder in der Freiwilligen Feuerwehr. Die Frauen unternahmen Ausflüge mit ihren Nachbarinnen. Seit 1933 waren sie zunehmend Demütigungen und Verfolgung, schließlich auch Gewalt ausgesetzt. Am 28. Juli 1942 musste die Familie das Haus verlassen. Nur Karla Raveh und ihre Großmutter kehrten zurück.

Die Ausstellung stellt darüber hinaus die Biographie der Holocaust-Überlebenden und Zeitzeugin Karla Raveh vor. Mit Filmen und Audiozeugnissen vermittelt sie einen Eindruck von der Persönlichkeit und dem Wirken dieser beeindruckenden Frau, die als Holocaust-Überlebende nach langen Jahren des Schweigens das Erzählen und Erinnern zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hat.

Das Haus ist heute nicht nur Museum, sondern ein Ort der Begegnung und des Gesprächs. Es ist eine Außenstelle des Städtischen Museums Lemgo. Das Städtische Museum bietet weitere Programme wie Führungen zu „jüdischem Leben in einer alten Stadt“ an, die mit dem Besuch des Frenkel-Hauses abschließen.
Sonderausstellungen zur jüdischen Geschichte sowie zu zeitgeschichtlichen Themen werden in den Räumen des Museums Hexenbürgermeisterhaus gezeigt. So wurde im Jahre 2017 die Ausstellung „Gehen oder Bleiben? Die jüdische Familie Hochfeld“ gezeigt. Im Februar/März 2019 ist die Ausstellung als Wanderausstellung im „Johannesburg Holocaust & Genocide Centre“ (Südafrika) zu sehen.

Weitere Informationen unter: https://museen-lemgo.de/frenkelhaus/