Eine Collage, die beispielhaft den Strukturwandel in NRW darstellen soll: ein Thomas-Konverter aus dem früheren Stahlwerk Phoenix-Ost, ein chinesischer Arbeiter, Phoenix-See, zwei Arbeiter in gelben Helmen.

Was passiert aktuell?

Neben der Digitalisierung zwingen uns insbesondere der Klimawandel und politische Konflikte zu raschen Veränderungen, die alle Bereiche der Wirtschaft betreffen. Gesellschaft und Politik müssen sich anpassen.

Warum wird sich die Wirtschaft weiter verändern?

Auch in Zukunft werden sich Wirtschaft und Gesellschaft an neue Anforderungen anpassen müssen. Ein Beispiel für aktuelle Entwicklungen ist der Klimawandel. Um das Klima zu schützen, muss sich vieles ändern. So muss unsere Energieversorgung zukünftig ohne fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas auskommen. Das betrifft nicht nur Kraftwerke, sondern auch den Verkehr und die Industrieproduktion. 

Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 erhöht den Druck in Gesellschaft und Politik, möglichst schnell von Russland als Energielieferant unabhängig zu werden – eine Maßnahme, die wiederum den Ausstieg aus fossilen Energierohstoffen beschleunigt. Stand Sommer 2022 bezieht Deutschland noch einen großen Teil fossiler Energiequellen aus Russland.

Krisen wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben gezeigt, dass globale Lieferketten anfällig für Störungen sind. Das betrifft sowohl die Lebensmittel- und Energieversorgung also auch die Produktion von Gütern. Expertinnen und Experten gehen daher davon aus, dass in den nächsten Jahren eine sogenannte De-Globalisierung stattfinden wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass Unternehmen wieder verstärkt im eigenen Land produzieren werden. Diese De-Globalisierung wird ebenfalls Treiber für strukturelle Veränderungen sein.

Digitalisierung und Automatisierung haben in der Vergangenheit bereits große Veränderungen bewirkt und werden auch zukünftig den Wandel vorantreiben. In NRW müssen etwa Schulen und Ämter eine digitale Infrastruktur schaffen und in Betrieben nimmt die Bedeutung der Arbeit aus dem Homeoffice zu. Auch Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend zum Gegenstand politischen und wirtschaftlichen Handelns. Schon heute übertreffen Computer dort, wo große Datenmengen interpretiert werden müssen, die Fähigkeiten von Menschen. Im medizinischen Bereich werden Computer bald Tumore mittels bildgebender Verfahren verlässlich identifizieren können. Auch komplexe juristische Verträge könnten bald von KI schneller erstellt werden als von Anwältinnen und Anwälten. 

Darüber hinaus wird der Einsatz von Robotern in Produktion und Logistik weiter ausgebaut werden und Roboter könnten zukünftig sogar bei der Pflege von Menschen unterstützen. Solche Entwicklungen bringen neue Arbeitsplätze in der Informationstechnik und dem Ingenieurswesen mit sich, während andere Jobs, vor allem von ungelernten Arbeitskräften, verschwinden werden.

Fotos: Die Nutzung von Kohle & Öl bedroht das Klima

Seit Beginn der Industrialisierung nutzen wir gigantische Mengen Kohle, Erdöl und Erdgas als Energiequellen. Die dadurch freigesetzten Treibhausgase bedrohen das Klima – knapp 45 Prozent der CO2-Emissionen in NRW gehen auf die Kosten der Energiewirtschaft. Die Klimakrise zwingt uns, die Wirtschaft umzubauen.

Der Verkehr trägt mit seinen unzähligen Verbrennungsmotoren erheblich zum Klimawandel bei. Abhilfe sollen unter anderem neue Technologien, aber auch der Ausbau des ÖPNV schaffen.

Kohlekraftwerke emittieren große Mengen an klimaschädlichem CO2. Die Folgen des Klimawandels zwingen uns, unsere Energieversorgung umzustellen.

Durch den Klimawandel kommt es vermehrt zu Starkregen und Überschwemmungen wie 2021 im Ahrtal.

Wer verliert, wer gewinnt?

Die Gewinnung von Kohle und Erdöl spielten für Industrieregionen wie NRW traditionell eine besonders wichtige Rolle. So waren fossile Rohstoffe bisher die Grundlage unserer Energieversorgung. Um die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten, will die Bundesrepublik bis spätestens 2038 aus der Kohleenergie aussteigen. 

Große Veränderungen bringen immer Gewinner und Verlierer mit sich. So sind im Ruhrgebiet ehemals riesige Unternehmen verschwunden – und mit ihnen Arbeitsplätze und Existenzgrundlagen der Betroffenen. Gleichzeitig haben andere von den Entwicklungen profitiert. Neue Unternehmen sind entstanden. Einzelne Branchen sind enorm gewachsen und wichtiger geworden, wie IT-Firmen und Digitalkonzerne. Die Spuren der früher prägenden Unternehmen bleiben oft sichtbar, aber verändern sich radikal. Kulturbetriebe nutzen leerstehende Fabrikhallen und verwenden sie als Räume für Konzerte, Kunstausstellungen oder andere Veranstaltungen. Werksgelände werden zu Parks.
 

Wirtschaftliche Gegensätze führen zu gesellschaftlichen Spannungen

Für die einen bedeutet der Wandel Perspektivlosigkeit, für die anderen neue Chancen und Wohlstand. Dieses Auf und Ab hat Folgen für die Gesellschaft. So können die Gegensätze zu Spannungen führen, die sich auf der „Verliererseite“ möglicherweise in einem Vertrauensverlust gegenüber der Politik äußern. Wer keine Perspektive für sich sieht, fühlt sich oft allein gelassen. Dieser Unmut mündet nicht selten in Fremdenfeindlichkeit. Denn manche Betroffene sehen in Zugezogenen eine Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Demzufolge kann der Strukturwandel mit gesellschaftlichen Spannungen einhergehen und bestimmte politische Strömungen prägen.

Gegenzusteuern ist nicht leicht. Denn wer nach Jahrzehnten seinen Job verliert, kann meist nicht einfach in aufsteigenden Branchen neue Arbeit finden. In der Regel sind dort andere Qualifikationen nötig. Vor allem im wachsenden Dienstleistungssektor sind viele Arbeitsplätze entstanden, für die ein Studium nötig ist. Dagegen gibt es weniger Jobs für ungelernte Arbeitskräfte. Diese Entwicklungen tragen dazu bei, dass die Wohlstandsschere zwischen verschiedenen Gruppen größer wird. Und das wiederum erzeugt gesellschaftliche Spannungen. Wie kann die gesamte Gesellschaft vom Wohlstand profitieren, der zum Beispiel durch Digitalisierung und Automatisierung erzeugt wird? Welchen sinnstiftenden Tätgkeiten können auch wenig qualifizierte Arbeitskräfte nachgehen und wie können sie an der Gesellschaft teilhaben? Auf diese Fragen werden wir künftig Antworten finden müssen.

Beispiel: Was wird aus dem rheinischen Braunkohlerevier?

Der Abbau von Braunkohle zur Energiegewinnung endet spätestens im Jahr 2038. Die Region muss sich an die neuen Bestimmungen anpassen.

Die Region des sogenannten Rheinischen Reviers ist vom Braunkohletagebau und von Kraftwerken geprägt. Zum Rheinischen Revier gehören die Kreise Düren, Euskirchen, Heinsberg, der Rhein-Erft-Kreis und der Rhein-Kreis Neuss, die Städteregion Aachen und die Stadt Mönchengladbach. 2020 haben Bundestag und Bundesrat das Ende des Kohleabbaus bis spätestens 2038 beschlossen und die Region muss sich darauf einstellen. Insgesamt sind dort 9.000 Arbeitsplätze direkt betroffen. Die Politik bemüht sich, die Betroffenen zu unterstützen. Zum Beispiel erhalten ältere Betroffene im Revier eine umfassende soziale Absicherung. Hingegen sollen jüngeren Beschäftigten durch Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten neue Perspektiven geboten werden.

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Nach der Kohle

Keyenberg und vier weitere Dörfer in Erkelenz sollten für den Kohleabbau von RWE abgebaggert werden. Jetzt dürfen sie doch bleiben. Ein vielschichtiger Blick auf die Konsequenzen des Kohleabbaus und auf die aktuelle Situation der jetzigen und ehemaligen Anwohnerinnen und Anwohner.

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Wie können wir mit dem Wandel umgehen?

Die Politik kann dazu beitragen, die wirtschaftlichen Veränderungen möglichst sozial verträglich zu gestalten. Förderungen und Umschulungen sollen Anreize schaffen, dass sich Unternehmen und Beschäftigte an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Oft fördert die Politik zukunftsfähige Branchen oder die Forschung und Entwicklung in bestimmten Bereichen. So versucht sie, Ersatz zu schaffen und den Wandel gezielt zu gestalten.

Ein Beispiel ist das 5-StandorteProgramm für die (ehemaligen) Standorte von Steinkohlekraftwerken im Ruhrgebiet. Mit diesem Programm sollen fünf besonders betroffene Standorte unterstützt werden: Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Herne und der Kreis Unna. Sie sollen bis zum Jahr 2038 bis zu 662 Millionen Euro Strukturhilfen vom Bund erhalten. Gemeinsam mit der Landesregierung NRW sollen die betroffenen Kommunen mit dem Geld beispielsweise Wirtschaftsflächen umgestalten, Innovationen fördern sowie Arbeitswelt und Mobilität nachhaltiger gestalten.

Allerdings werden solche Maßnahmen immer wieder zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen darüber, wer oder was Anspruch auf staatliche Unterstützung hat. Ein Beispiel hierfür ist die aktuelle Debatte zu mehr Klimaschutz. Hier wird etwa diskutiert, ob Staat und Länder genügend in nachhaltige Mobilität investieren und welche Maßnahmen Priorität haben. Manche sehen die Lösung in einem raschen Umstieg auf E-Mobilität, während andere den Ausbau des ÖPNV priorisieren. Solche Debatten gilt es in Politik und Gesellschaft immer wieder aufs Neue auszuhandeln.